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Nachts schlafen die Ratten doch

1. Abschnitt, Zeile 1-3

Zusammenfassung

Ort der Handlung ist eine abendliche Szenerie in einer durch Bombenangriffe zerstörten Stadt, deren Name nicht genannt wird. In der Abendsonne steht die Ruine eines Hauses. Von diesem sind nur ein hohles Fenster in einer nun alleine stehenden Mauer geblieben sowie Reste des Schornsteins. Es scheint kein Leben hier zu herrschen, nur der Staub flimmert. Die Umgebung wird als »Schuttwüste« (S. 216) beschrieben.

Analyse

Die Kurzgeschichte beginnt ohne eine genauere Angabe von Ort und Zeit der Handlung, auch die Figuren werden im weiteren Verlauf nicht vorgestellt. Der Name der Stadt, in der die Handlung spielt, wird nicht genannt, ebenso wenig gibt es eine Jahreszahl. Dass es sich bei der Stadt um das zerbombte Hamburg handeln könnte und bei dem Krieg, der den Hintergrund der Handlung bildet, um das Ende des Zweiten Weltkrieges, wird im Text nicht explizit genannt und ergibt sich erst aus der Einordnung des Werkes in seine Epoche und mit Kenntnis der Biografie des Autors. Dies steht aber auch nicht im Vordergrund, denn Borchert zeigt exemplarisch das Leiden der Menschen in Krisensituationen zu allen Zeiten und weist damit über seine Zeit und Epoche hinaus.

Es ist kein völlig unvermittelter Einstieg, wie es für die Gattung Kurzgeschichte typisch ist. Dem Beginn der Handlung ist eine kurze, sehr bildreiche Beschreibung der Rahmenbedingungen vorgeschaltet, in denen sie sich abspielt. Diese wird aus einer auktorialen (allwissenden) Erzählperspektive wahrgenommen und wiedergegeben.

Es ist eine leblose, leere, beinahe bewegungslose Landschaft, die von den Zerstörungen des Krieges geprägt ist. Von der Stadt sind nun nur noch »hohle Fenster«, eine »vereinsamte Mauer« und »Schornsteinreste« übrig, sie hat sich in eine »Schuttwüste« verwandelt (S. 216). Die einzige Bewegung rührt vom Flimmern der »Staubgewölke« (ebd.) her. Das Leben, das sich früher zwischen den Mauern des zerstörten Hauses abgespielt hat, scheint nun nur noch an den übriggebliebenen, zerstörten Dingen ablesbar, was die gehäuft verwendeten Personifikationen in diesem Abschnitt deutlich machen; die Mauer ist »vereinsamt«, das hohle Fenster »gähnte«, die gesamte »Schuttwüste döste«. (ebd.) »In der Personifikation leben die Überreste eines Lebens weiter, das sich jetzt bloß noch als leidende Verwüstung und zugleich als träge Duldsamkeit offenbart« (Giachino, S. 1).

Neben der starken, plastischen Bildsprache erinnern auch die symbolisch eingesetzten Farbadjektive (»blaurot voll früher Abendsonne«, S. 216) an die Literaturepoche des Expressionismus. Der apokalyptische Eindruck dieser Eingangsszene wird durch die verwendeten sprachlichen Mittel wie beispielsweise die Alliterationen (»Staubgewölke«, »steilgereckte Schornsteinreste«, »Schuttwüste«, ebd.) unterstrichen. Es kommt auch bereits das Motiv der Sonne vor, das sich durch die ganze Erzählung zieht und positiv belegt ist.

Am Ende der Erzählung wiederholt sich diese Anfangsszenerie noch einmal und wird wieder aus der Perspektive des auktorialen Erzählers präsentiert, der damit den Rahmen der Handlung beschreibt. Die Farbe der Abendsonne ist nun von »blaurot« zu »rot« geworden (vgl. S. 216/219). Auch hier wird die Farbsymbolik bewusst eingesetzt, um die Veränderung in der Handlungsentwicklung und in Jürgens Leben aufzuzeigen.

Veröffentlicht am 8. August 2023. Zuletzt aktualisiert am 8. August 2023.