Der 1995 erschienene Roman »Der Vorleser« von Bernhard Schlink handelt von Michael Berg und seiner abhängigen Liebe zu einer älteren Frau, die als Kriegsverbrecherin angeklagt wird. In einem Rückblick erzählt Michael Berg von seinem Leben im Zeitraum von 1959 bis 1984.
Michael Berg ist ein 15-jähriger Junge, der an Gelbsucht erkrankt. Eine Frau hilft ihm, als er sich auf der Straße übergeben muss. Als es ihm besser geht, bittet ihn seine Mutter, die Frau zu besuchen, die ihm damals auf der Straße geholfen hat. So macht sich Michael auf den Weg zu der Frau, die Hanna Schmitz heißt.
Er muss vor der Wohnung warten, da Hanna nicht zu Hause ist. Als sie schließlich nach Hause kommt, bittet sie Michael im Flur zu warten, da sie sich umziehen will. Sie lässt die Tür zu ihrer Wohnung jedoch offen und Michael beobachtet sie voller Begehren. Als Hanna merkt, dass Michael sie betrachtet, rennt er voller Scham weg. Eines anderen Tages besucht er Hanna jedoch erneut und wird von ihr verführt, nachdem er für sie Kohlen aus dem Keller geholt hat.
Zwischen Hanna und Michael entwickelt sich eine Liebesziehung und nach kurzer Zeit bittet Hanna Michael ihr vorzulesen. So beginnt eine Art Liebesritual zwischen den Beiden. Wenn sie sich treffen, liest Michael vor, dann duschen beide zusammen und anschließend schlafen sie miteinander. Michael ist total von Hanna eingenommen und verzehrt sich nach ihrer Liebe. Doch eines Tages ist Hanna plötzlich verschwunden. Michael lernt andere Mädchen und Frauen kennen, doch vergleicht er diese immerzu mit Hanna. Auch von seiner späteren Frau lässt er sich scheiden.
Eines Tages als er während seines Jurastudiums an einem Seminar zur »Vergangenheitsbewältigung« teilnimmt und im Rahmen dessen als Beobachter und Zuhörer zu einem Prozess gegen Nazi- Verbrechen geschickt wird, erkennt er unter den Angeklagten Hanna wieder. Hanna soll in einem KZ als Aufseherin tätig gewesen sein und an einer Selektion mitgewirkt haben. Für Michael wird nach kurzer Zeit klar, dass Hanna nicht alle der ihr vorgeworfenen Verbrechen begehen konnte, da sie Analphabetin ist, was ihm nach einigen Jahren klar geworden ist.
Er fragt seinen Vater, ob er dies dem Richter mitteilen soll, doch dieser rät Michael davon ab. Schließlich ist es Hannas Entscheidung. Hanna wird der Prozess gemacht und sie wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Michael fängt an ihr auf Kassetten vorzulesen und diese an Hanna ins Gefängnis zu schicken. Als er nach einigen Monaten einen Brief von ihr erhält, freut er sich, dass sie endlich lesen und schreiben gelernt hat. Er antwortet ihr jedoch nicht.
Einige Jahre später wird er von der Anstaltsleiterin gebeten, Hanna, die entlassen wird, an ihrem ersten Tag in Freiheit zu helfen. Eine Woche vor ihrer Entlassung besucht Michael Hanna im Gefängnis, doch scheint sie eine ganz andere Person geworden zu sein. Er steht einer Frau gegenüber, die für ihre Taten, die Fragen aufwerfen, keine Antworten gibt.
Trotz allem bereitet er alles für Hannas ersten Tag in Freiheit vor, doch Hanna erhängt sich im Gefängnis. Ihr Geld soll einer jüdischen Stiftung zugute kommen, die von einer Familie, die dem Holocaust entkommen ist, gegründet wurde. Die Anstaltsleiterin lässt Michael wissen, dass Hanna sich bis zu ihrem Freitod ausgiebig mit der Literatur über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust beschäftigt hat.
»Der Vorleser« beinhaltet mehrere interpretationswürdige Motive. Im Mittelpunkt steht wohl der Umgang mit Schuld und Vergangenheit. Es wird unter anderem die Frage der Kollektivschuld und der Verantwortung der Nachkriegsgenerationen aufgeworfen. Für den Selbstmord Hannas gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze, die von erfolgloser Vergangenheitsbewältigung bis zur scheinbar unerfüllten Liebe reichen.