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Tschick

12. Abschnitt (Kapitel 45-46)

Zusammenfassung

Maik hat eine ernste Unterredung mit seinen Eltern. Sein Vater befürchtet, dass Maik sich nicht darüber im Klaren sei, in welcher Situation er sich befinde. Seine Mutter rührt in einem Amaretto und glaubt, dass sich Maik dessen sehr wohl bewusst sei. Bloße Worte reichen dem Vater nicht. Als Maik ihm widerspricht, verpasst ihm sein Vater eine Ohrfeige. Seine Mutter will dazwischen gehen, aber taumelt schon beim Aufstehen. Maiks Vater zittert vor Aufregung.

Maik will nicht lügen, aber versucht es mit einem zerknirschten Gesicht, um seinen Vater zufriedenzustellen. Dieser glaubt, dass das Ganze Tschicks Idee gewesen sei, der Maik nur mit hineingezogen habe. Maik sei viel zu blöd dafür. Vor allem beschäftigt den Vater, dass sich Maiks Verhalten negativ auf sein Geschäft auswirke. Als Maik ihn daran erinnert, dass er sowieso keine Verkäufe macht, erhält er eine weitere Ohrfeige. Seine Mutter schreit auf. Sein Vater ist aufgebracht. Er bezeichnet seinen Sohn als Idioten und beschimpft Tschick und seine Familie als Asoziale. Er verlangt von Maik, dass er vor Gericht gegen Tschick aussagt und behauptet, Tschick würde genau dasselbe tun, um seine eigene Haut zu retten. Maiks Vater hofft, vor allem nach dem Besuch eines Mitarbeiters von der Jugendgerichtshilfe, dass sie mit ihrer Familie, Haus und Pool ein hohes Ansehen verkörpern und bessere Chancen haben. Maik besteht darauf, die Wahrheit zu sagen.

Darauf wird er von seinem Vater verprügelt, selbst noch, als Maik auf den Fußboden rutscht.
Den restlichen Tag verbringt Maik im Bett und fragt sich, wie lange alles noch so bleibe. Er vermisst Tschick und freut sich schon auf ein Wiedersehen. Tschick wurde in ein Heim gebracht, wo er keinen Kontakt haben darf.

Vor der Gerichtsverhandlung ist Maik unheimlich aufgeregt. Als Tschick in den Saal kommt, fallen sie sich in die Arme. Dann beginnt die Verhandlung. Maik versucht, die vielen Fragen mehr oder weniger wahrheitsgetreu zu beantworten, nur ein paar Details lässt er aus. Die Frage nach dem Warum fällt ihm besonders schwer. Er denkt an die Walachei, Tatjana und dass er einmal kein Feigling sein wollte. Schließlich nimmt er aber den Vorschlag des Richters an, dass sie die Reise aus »Fun« gemacht hätten.
Die Begegnung mit der Sprachtherapeutin lässt er aus, da sie so nett war. Maik will nicht, dass sie in Schwierigkeiten gerät. Er fürchtet jedoch, dass dies auffliegt, da er sich nicht mit Tschick abgesprochen und dieser womöglich eine andere Version erzählt hat. Allerdings stellt sich heraus, dass Tschick exakt die gleiche Idee hatte. Schwachstellen in ihrer Lüge, wie zum Beispiel, dass sie gar nicht wissen konnten, dass in der Nähe ein Krankenhaus war, werden von den Geschworenen übersehen.

Als die Frage aufkommt, wessen Idee der Trip war, schiebt Maiks Vater dies Tschick zu, indem er ihn aus dem Publikum den »Russen« nennt. Maik behauptet, sie hätten beide die Idee gehabt. Tschick hingegen bezieht diese komplett auf sich allein. Maik und Tschick nehmen sich gegenseitig in Schutz. Schließlich geht es um die persönlichen Hintergründe. Tschick wird in Maiks Augen als Asozialer dargestellt. Maiks Familie, die zwar Geld und Haus besitzt, in der Maik allerdings verwahrlose, scheint ebenfalls asozial zu wirken. Das Urteil lautet, dass Tschick im Heim bleiben muss und Maik 30 Sozialstunden zu leisten hat. Zum Schluss trägt der Richter Ermahnungen vor, die sich Maik sehr genau anhört.

Analyse

Mit dem 45. Kapitel wird die chronologische Reihenfolge der Geschehnisse wieder aufgenommen und der dritte Erzählabschnitt eingeleitet. Maik wurde aus dem Krankenhaus entlassen und befindet sich nun wieder bei seinen Eltern zu Hause. Die Vergangenheitsform wird als Erzählform jedoch beibehalten.

Im 45. Kapitel wird Maiks gebrochenes Verhältnis zu seinen Eltern deutlich, die ihm beide in der Ausnahmesituation keine Stütze sind: Sein Vater ist von seiner Wut und Sorge um die eigene Existenz so eingenommen, dass er die Argumente seines Sohnes überhört und ihn für einen Idioten hält. Weiterhin wird seine stark von Vorurteilen behaftete Sichtweise auf Tschick und seine Familie deutlich. Schließlich schlägt seine Aggression in körperliche Gewalt um. Was später im Gerichtssaal angesprochen wird, zeigt sich bereits hier in Gesten: Maik erfährt Gewalt und Misshandlung. Seine Mutter kann ihm nicht helfen. Durch ihre Suchtkrankheit hat sie nicht ausreichend Körperbeherrschung, um ihren Mann aufzuhalten. Es ist allerdings fraglich, ob ihr das auch im nüchternen Zustand gelungen wäre. Ihre Versuche, dazwischen zu gehen, bleiben erfolglos.

Dennoch zeigt sich Maiks Mut und seine Stellungnahme zu seinen Taten. Ihm ist bewusst, dass er Fehler gemacht und gegen Regeln verstoßen hat. Trotzdem bereut er seine Entscheidung, mit Tschick die Reise zu machen, nicht. Er will die Wahrheit sagen und zweifelt die Anschuldigungen seines Vaters bezüglich Tschick an. Seinem Freund Tschick ist er loyal gegenüber, nicht aber seinem Vater. Diese klare Positionierung symbolisiert Maiks gewonnenes Selbstbewusstsein.

Vor Gericht distanziert sich Maik deutlich von seinem Vater, als dieser Tschick die Schuld zuschieben will und nennt ihn: »Mein Vater, der Idiot.« (235)

Bei der Gerichtsverhandlung zeigt sich Maiks junges Alter und die damit einhergehende Naivität, zum Beispiel an Beschreibungen wie »Der Richter hatte einen schwarzen Poncho an, und rechts von ihm saß eine Frau und surfte die ganze Zeit im Internet« (232). In Wirklichkeit handelt es sich bei der Kleidung um die klassische Richter-Robe. Die Frau ist eine Protokollantin. Maiks Beschreibungen sind jedoch auch stark von seiner Nervosität gefärbt, die er mit Hyperbeln, starken Übertreibungen, ausdrückt: »Ich war logisch tödlich aufgeregt. Allein die Räume im Gericht waren der reine Terror.« (232)

Das Wiedersehen mit Tschick scheint für zumindest etwas Entspannung zu sorgen. Ihre Freundschaft zeigt sich während der Gerichtsverhandlung an ihren Versuchen, den jeweils anderen in Schutz zu nehmen: Maik behauptet, dass es ihre gemeinsame Idee gewesen sei, Tschick nimmt diese ganz auf sich. Außerdem finden sie, ohne sich abzusprechen, dieselbe Lüge, um die Sprachtherapeutin zu schützen. Während Maik eine Nähe zu Tschick verspürt, die ohne viele Worte auskommt, empfindet er zu dem Richter eine Distanz. Die wichtige Frage nach dem Motiv ihrer Reise, kann er ihm nicht beantworten. Zu verkettet sind die Umstände. Der Richter hingegen versucht, sich krampfhaft an die Jugendlichen anzunähern, indem er das Wort »Fun« benutzt (vgl. 233). Maik lässt sich der Einfachheit wegen darauf ein, hätte diesen Ausdruck aber von selbst nicht gewählt.

Eine deutliche Distanz spürt er auch zu dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe. Er empfindet dessen Vortrag als »de[n] schlimmsten Teil« (235), da der Mitarbeiter in Maiks Ohren über sowohl Tschicks als auch seine Familie von »eine[r] Art asozialer Scheiße« (236) spricht. Maik fühlt sich bloßgestellt, erkennt aber nicht, dass ihn die Beurteilung der Familienverhältnisse von der alleinigen Schuld entlastet (vgl. Kramper, 99). Generell hat er Schwierigkeiten, die Notwendigkeit bestimmter Fragen oder des Verfahrens allgemein einzuordnen. Somit ist er am Ende auch über sein mildes Urteil überrascht. Die Ermahnungen des Richters nimmt er ernst, da sie ihm aufzeigen, dass der Unfall auf der Autobahn auch anders hätte enden können.

Veröffentlicht am 28. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2023.