Skip to main content

Tschick

13. Abschnitt (Kapitel 47-49)

Zusammenfassung

Als die Schule wieder losgeht, ist alles wie immer, mit dem Unterschied, dass Maik jetzt in der 9. Klasse ist und Tschicks Stuhl leer bleibt. Das macht ihn traurig, genauso wie Tatjanas Anblick, da er nicht weiß, was sie über seine Zeichnung denkt. Maik versucht sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Er bekommt einen Zettel zugeschoben, den er schon weitergeben will, als er bemerkt, dass sein Name darauf steht. Tatjana will wissen, was mit ihm passiert sei. Maik kann es nicht glauben. Er muss die Botschaft mehrfach lesen und fürchtet, dass ihm jemand einen Streich spielen will. Am liebsten würde er alles erzählen, schreibt dann aber nur, dass nichts Besonderes gewesen sei. Der Zettel kommt schnell zurück, denn Tatjana schreibt, dass sie es wirklich wissen wolle. Maik braucht sehr lange für seine Antwort.

Auf dem Weg zu Tatjana wird der Zettel jedoch von Herrn Wagenbach bemerkt und abgefangen. Mit verstellten Stimmen liest er den Austausch der beiden vor, was für alle ein Lacher ist, außer für Tatjana und Maik. Bei Maiks letzter Antwort, in der er die gefährlichsten Highlights seiner Reise zusammengefasst hat, wird es still. Es lachen nur noch diejenigen, die nicht gesehen haben, wie Maik und Tschick mit dem Lada bei der Party aufgekreuzt sind. Wagenbach glaubt offenbar kein Wort und macht sich bereit für die Strafpredigt, als der Direktor hereinkommt und nach Maik und Tschick fragt. Hinter ihm sind zwei Polizisten zu sehen. Maik fühlt sich trotz Aufregung großartig und geht möglichst lässig zur Tür.

Die Polizisten führen eine knappe Befragung durch und berichten von einem vor zwei Tagen gestohlenen Lada, der jetzt einen Totalschaden habe. Maik macht deutlich, dass Tschick und er nichts damit zu tun haben können. Ihm wird bewusst, dass sie nach ihren Taten schneller verdächtigt werden. Als es zur Pause klingelt, strömen Schüler und Lehrer auf den Gang. Maik fragt, ob er die Polizisten zum Auto begleiten könne. Darauf erhält er eine forsche Antwort, ob er sich für cool halten wolle. Maik fühlt sich ertappt, aber ist innerlich dankbar für ihre Rettung, durch die er Herrn Wagenbachs Strafpredigt entkommen konnte.

Maik muss einen Brief aus dem Sekretariat abholen. Wegen der unklaren Adresse will die Sekretärin sichergehen, dass er für Maik bestimmt sei, und fragt ihn nach dem Absender. Er nennt Tschicks Namen, die Sekretärin spricht aber von einem »Anselm«. Als er sie nach Anselm Wail fragt, erhält er den Brief und reißt ihn sofort auf, um den wirklichen Absender zu erfahren. Er liest ihn aber erst zu Hause. Der Brief ist von Isa. Sie schreibt, dass sie ihre Halbschwester gefunden habe und ihm das Geld zurückzahlen könne. Sie bedauert, dass sie sich nicht geküsst haben, und schlägt ein Treffen unter der Weltzeituhr vor, da sie bald in Berlin sein werde. Maik weiß nicht, ob er mehr in Tatjana oder Isa verliebt ist.

Er hört Krachen und Geschrei. Als er nachsieht, findet er seine Mutter, die mit Schluckauf am Pool steht und Gegenstände hineinwirft. Sie behauptet, sie habe mit Maik nicht über die wirklich wichtigen Dinge gesprochen. Für sie bedeutet das, dass nicht Materielles wichtig sei, sondern ob man damit glücklich wäre. Maiks Mutter fragt ihn, ob er verliebt sei und deutet sein Schweigen als ja. Ob seine Schwärmerei erwidert würde, beantwortet er mit einem Kopfschütteln für Tatjana und einem Schulterzucken für Isa. Seine Mutter wird sehr ernst und umarmt ihn. Dann schenkt sie sich noch ein Glas Whiskey ein und bietet auch Maik etwas an. Doch der will lieber wie sie Sachen in den Pool werfen.

Gemeinsam befördern sie die halbe Einrichtung ins Wasser, bis die Polizei auftaucht und eine Beschwerde der Nachbarn über Vandalismus und Ruhestörung verlauten lässt. Maiks Mutter segelt auf einem Ölgemälde in den Pool, Maik lässt sich von einem Sessel aus ins Wasser fallen. Unter Wasser reichen sie sich die Hände. Die Polizisten scheinen weit weg. Maik denkt an all die besonderen Erlebnisse. Es ist ihm egal, ob er jetzt wieder »Psycho« genannt wird. Das war der beste Sommer, den er bisher erlebt hat.

Analyse

Mit der Rückkehr in die Schule fürchtet Maik auch, in seine alte Außenseiterposition zurückzukehren, besonders da sein neu gefundener Freund nicht mehr in der Klasse ist. Die Erlebnisse des Sommers haben jedoch die Runde gemacht und Tatjanas Interesse geweckt. Sicherlich hat auch die Beyoncé-Zeichnung dazu beigetragen. Dass Maik noch von seinen alten Mustern überzeugt ist, zeigt sich in seinem Glauben, dass der Brief von Tatjana gefälscht sein könnte. Aber das Gegenteil ist der Fall. Mit dem Aufruf durch die Polizisten scheint Maiks neues Image perfekt und er fühlt sich endlich gesehen: »Ich fühlte mich großartig, trotz zitternder Knie.« (244)

Fraglich ist Wagenbachs pädagogische Maßnahme, um die Schüler*innen vom Zettel- Schreiben abzubringen, die er zu genießen scheint. Auch wenn verständlich ist, dass er mit dem Preisgeben der vertraulichen Informationen seiner Klasse eine Lektion erteilen will, hat er kein Recht, diese zu lesen und öffentlich mitzuteilen. Durch das Verstellen der Stimme macht er sich obendrein lustig und stellt die Betroffenen bloß. Mit dieser Beschreibung wird nochmals die Distanz aufgezeigt, die der pubertierende Maik zur Erwachsenenwelt hat und die die Lehrer nicht zu überbrücken versuchen.

Dieses Unverständnis bringt er auch den Polizisten entgegen, die ihn zu einem gestohlenen Lada befragen. Maik erkennt, dass er nun schärfer beobachtet wird. Die Polizisten erfüllen dabei ihre Pflicht, ohne Maik als Individuum wahrzunehmen: »Wir kommen praktisch nur vorbei, weil wir eh vorbeikommen.« (245)

Im letzten Kapitel wird eine wichtige Lebensfrage thematisiert: darüber, was wirklich im Leben zählt. Maiks Mutter macht ihn darauf aufmerksam, dass aller Besitz unwichtig ist. Was zählt ist, dass man glücklich ist. Dieser Ratschlag wiegt viel für Maik und zeigt, dass Maiks Mutter trotz ihrer Krankheit für Maik da sein kann. Sie scheint selbst mit ihrem bisherigen Leben abschließen zu wollen, was mit dem Versenken von Einrichtungsgegenständen im Pool symbolisiert wird. Die Beziehung zu ihrem Ehemann scheint nun endgültig gescheitert. Ihre Lebensvorstellungen weichen voneinander ab: Während Maiks Vater einen hohen Wert auf Wohlstand und das äußere Erscheinungsbild der Familie legt, lehnt Maiks Mutter diesen Materialismus ab. Für sie zählen die inneren Werte. Herr Klingenberg beginnt einen neuen Abschnitt, indem er mit seiner Geliebten Mona nach einer Wohnung sucht.

Frau Klingenberg fragt, ob Maik verliebt sei und nimmt ihn mit seinen Gefühlen wahr, eine Eigenschaft, die Maiks Vater nicht besitzt. Allerdings schwanken ihre eigenen im Sekundentakt, was auf ihren Alkoholkonsum zurückzuführen ist. Maik trifft hingegen bewusste Entscheidungen: Den Alkohol lehnt er ab, stattdessen will er ebenfalls Gegenstände in den Pool werfen. Damit distanziert sich Maik aktiv von seinem Vater und dessen Glaubenssätzen sowie von seiner bisherigen Rolle als Außenseiter (vgl. Kramper, 101). Selbst das Erscheinen der Polizei kann das Mutter-Sohn-Gespann nicht von ihrer Zerstörungswut abhalten. Sie wenden sich damit zusätzlich gegen das gesellschaftlich gewünschte Bild von Prestige, Ruhe und Ordnung und befreien sich von derartigen Zwängen. Da es sich um ihren Privatbesitz handelt, verstoßen sie gegen kein Gesetz.

Maik ist glücklich. Gerade eben hat er Isas Brief gelesen und erkannt, dass er zu ihr eine besondere Beziehung aufgebaut hat. Entgegen seiner Annahme, nie wieder etwas von ihr zu hören, hat sie es geschafft, ihm trotz uneindeutiger Adresse eine Nachricht zukommen zu lassen. Sie schlägt sogar ein konkretes Treffen vor. Maiks Beziehung zu Isa ist eine andere, direktere, als zu Tatjana, für die er bislang im Stillen geschwärmt hat und die erst jetzt Interesse zu haben scheint. Auf einmal weiß er nicht mehr, wen er mehr mag: eine für das Alter typische Überforderung, die auch eine gewisse Schönheit und Nostalgie für das Erwachsenwerden fühlen lässt. Maik denkt außerdem an Tschick, Isa und Horst Fricke, Personen, die nicht der konventionellen Norm entsprechen und ihn trotzdem geprägt haben. Es ist ihm egal, ob er jetzt wieder »Psycho« genannt wird, da die inneren Werte und Erkenntnisse für ihn wertvoller sind als Bewertungen von außen.

Maik weiß, dass er das Glück nicht festhalten kann, das hat er auf der Reise gelernt. Er drückt dies mit der Metapher vom Luftanhalten aus: »und ich freute mich wahnsinnig. Weil, man kann zwar nicht ewig die Luft anhalten. Aber doch ziemlich lange.« (254) In diesem Moment unter Wasser, in dem seine Mutter auf ihre ganz eigene verschrobene Art für ihn da ist, ist Maik glücklich. Er kann sich dem Ernst des Lebens und den dadurch auferlegten Prinzipien entziehen, ist dankbar und erfüllt von all den Erlebnissen und Erfahrungen, die er durch die Reise sammeln durfte und die ihn dort hingebracht haben, wo er jetzt ist.

Veröffentlicht am 28. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2023.