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Tschick

7. Abschnitt (Kapitel 25-28)

Zusammenfassung

Tschick und Maik geht das Essen aus. Sie gelangen in ein Dorf und machen sich zu Fuß auf die Suche nach einem Supermarkt. Da sie nicht fündig werden, fragen sie einen Jungen, wo der nächste Norma sei. Dieser kann ihnen aber nur »Froehlich« zeigen, wo seine Familie immer einkaufe. Der Junge wird von seiner Mutter zum Mittagessen gerufen. Tschick nutzt die Gelegenheit und fragt sie nach dem Supermarkt, erhält aber dieselbe Antwort wie von dem Jungen, der Friedemann heißt. Die Frau lädt sie zum Essen ein.

Friedemann führt sie zu einem Tisch im Garten, an dem schon seine vier Geschwister sitzen. Vor dem Essen reichen sich alle die Hände und sprechen ein Dankgebet. Das Essen ist köstlich. Der Nachtisch ist auf acht unterschiedlich große Schälchen aufgeteilt, die nach der Beantwortung von Quizfragen verteilt werden. Die Geschwister sind ungehalten und aufgeregt und streiten sich darüber, wer schneller geantwortet habe. Maik und Tschick bekommen die letzten und kleinsten Schälchen. Tschick erhält noch die Antwort auf seine Frage, wie sich mit einer Armbanduhr Süden bestimmen ließe. Zum Schluss bekommen sie einen großen Kürbis geschenkt. Die Familie winkt ihnen zum Abschied am Gartentor.

Tschick hält die Familie für tolle Leute, obwohl er sie vorher noch als Spinner bezeichnet hat. Maik muss ihm zustimmen. Sie finden schließlich den Supermarkt und kaufen ein. Auf dem Weg zum Auto bemerkt Maik einen Polizisten, der sein Fahrrad reparieren will. Auch der Polizist wird auf sie aufmerksam. Ihr Täuschungsmanöver, dass sie nur etwas aus dem Auto holen, aber nicht fahren wollen, wirkt nicht. Der Polizist wird misstrauisch. Tschick springt in den Wagen und fährt los. Maik, der weiter weg ist, schnappt sich das Fahrrad des Polizisten. Da der Gang viel zu hoch eingestellt ist, kommt er kaum vom Fleck. Trotzdem gelingt ihm die Flucht.

Maik fährt bis in die Felder und macht sich dort Gedanken über sein weiteres Vorgehen. Zum Dorf zurückzukehren, ist keine Option. Stattdessen kommt ihm die Idee, am nächsten Morgen wieder auf die Aussichtsplattform mit dem Kiosk zu fahren. Beim ersten Lichtstrahl bricht er auf.

Doch der Weg ist viel weiter als gedacht. Maik ist erschöpft, hungrig und durstig. Er landet in einer Ortschaft mit merkwürdig klingenden Schildern und bittet bei einem Haus um Leitungswasser. Der Bewohner begegnet ihm misstrauisch. Aber Maik bekommt etwas Wasser und macht sich wieder auf den Weg. Noch am frühen Morgen erreicht er die Plattform. Doch Tschick ist nicht da. Maik wartet stundenlang und die Enttäuschung wird immer größer, bis er einen zusammengerollten Zettel in einer herumliegenden Cola-Flasche bemerkt. Dieser enthält eine Botschaft von Tschick unter dem Synonym »Graf Lada«, die ihm mitteilt, dass er Maik abholen werde.

Maik ist glücklich, doch Tschick lässt lange auf sich warten. Es dämmert bereits, als Maik ein schwarzes Auto auf dem Parkplatz auffällt, bei dem es sich um einen Lada handelt und aus dem ein Junge mit Hitler-Bart aussteigt. Maik begrüßt seinen Freund mit Umarmungen und Boxhieben. Die zwei machen sich mit Vollgas davon. Tschick hat den Lada eigenhändig umgespritzt und erneut das Kennzeichen ausgetauscht. Die beiden wundern sich über die Anwohner und Schilder in einer merkwürdigen Sprache.

Maik und Tschick fühlen sich sicherer und fahren auf die Autobahn. Allerdings taucht ein neues Problem auf: Der Tank ist leer. Zunächst beobachten sie Leute an der Tankstelle, um überhaupt zu verstehen, wie man tankt. Maik schlägt vor, ein anderes Auto zu klauen, was Tschick für keine gute Idee hält, denn früher oder später wird auch dessen Tank leer sein.

Maik will nicht, dass die Reise zu Ende ist. Er erinnert sich an ein Kinderbuch über physikalische Kräfte und glaubt, dass es möglich sei, mit Hilfe eines Schlauchs Benzin aus dem Tank eines anderen Autos zu ziehen. Zunächst glaubt Tschick nicht daran, aber nachdem Maik ihn überzeugt hat, wollen sie es versuchen.

Analyse

Konservendosen ohne Öffner und Tiefkühlpizzen ohne Möglichkeit sie zu backen, zeigen, dass Tschick und Maik ohne langfristige Planung aufgebrochen sind und symbolisieren ihre jugendliche Naivität. Auf Reisen läuft selten alles nach Plan. Man bewegt sich aus seinen Routinen heraus. Herausforderungen anzunehmen und Lösungen zu finden, machen das Reisen, insbesondere einen Roadtrip wie ihn Tschick und Maik erleben, zu einer nachhaltigen Erfahrung.

Tschick und Maik suchen nach einer Lösung für ihr Problem und landen so bei Friedemann und seiner Familie. Friedemann erhält durch Maiks gefilterte Wahrnehmung einen sonderbaren, skurrilen und ein wenig zurückgebliebenen Charakter: »Er blieb direkt vor uns stehen und glotzte uns mit riesigen Augen an wie ein großer behinderter Frosch. [...] Er hatte unglaublich viel Zahnfleisch.« (126)

Verständnislosigkeit existiert auf beiden Seiten: Friedemann versteht nicht, was Tschick und Maik im Supermarkt wollen. Tschick und Maik hingegen können aus Friedemanns Antworten keine Schlüsse ziehen und halten ihn aufgrund seines Verhaltens für komisch. Maik nennt ihn irgendwann nur noch »Das viele Zahnfleisch« (127). Dieser Widerspruch zwischen den beiden Parteien steigert sich, als Friedemanns Mutter mit derselben Antwort wie ihr Sohn reagiert und nur auf »Froehlich« anstatt den Supermarkt verweist. Auf ihre Einladung zum Essen reagieren die Jungen verunsichert. Beim Essen wird das für Tschick und Maik ungewohnte Verhalten fortgeführt. Friedemanns Familie symbolisiert Tugenden und Erziehungsschwerpunkte, die Maik und Tschick in ihren Familien nicht kennen. Die gemeinsame Zeit wird zelebriert, konventionelles Konsumverhalten abgelehnt, Bildung gefördert und gerecht geteilt. Tschick und Maik stehen der Familie zuerst sehr skeptisch gegenüber, ändern ihre Meinung jedoch. Das Essen, das Maik erst als »Reis mit Pampe« (130) beschreibt, wird zu einem »bonfortionösen Mahl« (130), die Menschen von Spinnern zu »tolle[n], spinnerte[n] Leuten« (134).

Tschick zeigt in diesem Abschnitt, dass sein Verhalten durchaus facettenreich ist. In der Schule war er der wortkarge und mitunter alkoholisierte Einzelgänger. Für Maik ist er ein Freund, verständnisvoll, neckend und selbstbewusst. Gegenüber Friedemann und seiner Mutter tritt er zuvorkommend und höflich auf. Maik empfindet das als aufgesetzt: »Tschick setzte sein höflichstes Lächeln auf. Er konnte das sehr gut, dieses höfliche Lächeln. Ich hatte immer den Eindruck, er übertrieb es ein bisschen.« (128) Allerdings handelt es sich wie immer nur um Maiks Wahrnehmung. Tschicks Höflichkeit könnte durchaus ernst gemeint sein.

Die eben noch gemeinschaftliche und friedliche Atmosphäre wird durch die Entdeckung und das Misstrauen des Polizisten in eine Flucht verwandelt. Das Erzähltempo ist deckend und lässt die Spannung für den Leser steigern. Dies wird auch durch die von Hyperbeln (Übertreibungen) durchzogene Beschreibung unterstützt: »Die Gangschaltung war im hundersten Gang oder so, [...] Ich hatte Tränen in den Augen und meine Oberschenkel fühlten sich an, als würden sie vor Anstrengung platzen.« (137)

Maik und Tschick müssen sich zwangsläufig trennen. Wieder ist Strategie und Problemlösung gefragt. Dass die beiden als Team funktionieren, zeigt sich, als sie sich bei der Aussichtsplattform wiederfinden. Maiks Freude darüber ist ein Zeichen für die Bindung, welche die beiden inzwischen aufgebaut haben: »Ich umarmte Tschick, und dann boxte ich ihn, und dann umarmte ich ihn wieder. Ich konnte mich überhaupt nicht beruhigen.« (142) Sie zeugt ebenfalls von ihrem Triumph. Die Flucht vor der Polizei ist ihnen geglückt. Mit neuer Farbe und Nummernschild trauen sie sich auf die Autobahn und können ihre Reise fortsetzen: »Wir fühlten uns sicher genug« (144).

Maik will diesen Zustand der Reise unter allen Umständen aufrechterhalten. Dafür sinkt seine Hemmschwelle, Straftaten zu begehen, deutlich. Während er im 15. Kapitel noch Sorge hat, Fingerabdrücke im geklauten Lada zu hinterlassen, ist er nun bereit, ein neues Auto zu stehlen. Letztendlich entscheiden sie sich für ein kleineres Vergehen, indem sie nur den Tank stehlen wollen.

Maik und Tschick wissen nicht, wo sie sich befinden. Das DDR-Waschmittel in den Schaufenstern lässt auf Ostdeutschland schließen. Die merkwürdig klingenden Straßenschilder, die nicht Russisch sind, grenzen das Gebiet auf die Lausitz ein, wo die sorbisch sprechende Minderheit angesiedelt ist (vgl. Kramper, 90).

Veröffentlicht am 28. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2023.