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Tschick

8. Abschnitt (Kapitel 29-33)

Zusammenfassung

Da sie keinen Schlauch finden, schlägt Tschick eine Müllkippe vor, an der sie vorbeigefahren sind. Der Weg dorthin ist unerwartet lang. Maik will schon aufgeben, doch Tschick hat sich die Idee in den Kopf gesetzt. Unterwegs stärken sie sich an Brombeersträuchern, was Maiks Laune wieder hebt. Auf der Müllkippe treiben sich einige merkwürdige Gestalten rum. Maik findet ein Fotoalbum, das ihn an seine Mutter erinnert. Er fürchtet, ihr Kummer zu bereiten. Tschick findet einen passenden Kanister, aber keinen Schlauch.

Sie hocken niedergeschlagen auf einer Waschmaschine, als ein Mädchen in ihrem Alter ihnen eine geballte Ladung Schimpfwörter zuruft. Sie hockt in einem Verschlag und ist verdreckt und verwahrlost. Tschick kontert, aber Maik gibt zu, dass sie Schläuche suchen. Das Mädchen kann ihnen behilflich sein. Maik und Tschick werden endlich fündig, aber das Mädchen will dafür eine Gegenleistung. Sie hat Hunger und lässt sich nicht abschütteln. Maik schlägt ihr die Brombeersträucher vor und das Mädchen heftet sich an ihre Fersen. Dabei plappert sie unentwegt, stellt viele Fragen, aber beantwortet keine zu ihrer Person.

Als sie zu den Sträuchern gelangen, stürzen sich alle drei darauf. Das Mädchen beginnt, ein Lied von Beyoncé zu singen. Maik mag ihren Gesang und ist davon in Kombination mit dem Duft der Brombeeren und dem abendlichen Licht gerührt. Tschick will das Mädchen loswerden, aber sie lässt sich nicht abschütteln. Erst als Tschick bemerkt, dass sie stinke, lässt sie sich allmählich zurückfallen und ist irgendwann ganz verschwunden. Maik findet Tschicks Kommentar unangebracht. Da er sich im Dunkeln fürchtet, gehen sie direkt neben der beleuchteten Fahrbahn zurück zur Tankstelle. Maik stellt fest, dass Tschick und er wahrscheinlich die einzigen Verbrecher in der Umgebung seien.

Die beiden finden einen alten Golf, bei dem sich der Tankdeckel öffnen lässt. Doch all ihre Versuche, das Benzin anzusaugen, scheitern. Als Maik wieder vorschlägt, ein anderes Auto zu klauen, gibt Tschick zu, dass der Trick mit dem Tennisball nur ein Bluff war. Der Lada war immer offen, sie können keinen anderen Wagen klauen. Sie bemerken, dass sie beobachtet werden. Tschick steckt sich zur Tarnung eine Zigarette an. Aber das Mädchen überhäuft sie schon mit den üblichen Schimpfwörtern. Ihr gelingt es, das Benzin aus dem Tank zu ziehen. Die beiden Jungen wollen sich ihre Blöße nicht eingestehen.

Zum Dank fühlen sie sich verpflichtet, das Mädchen ein Stück mitzunehmen. Sie heißt Isa. Maik und Tschick wollen nicht zu viel von ihren Plänen preisgeben, doch Isa scheint jede Richtung recht. Sie behauptet schließlich, dass sie eine Halbschwester in Prag hätte, die sie dringend besuchen wolle. Mit heruntergelassenem Fenster lässt sich der von ihr ausgehende Gestank ertragen. Sie ist aufgekratzt, aber hat ihr Fluchen eingestellt. Die drei wissen nicht, wo sie sind, doch Maik ist das inzwischen egal. Sie steuern auf eine Bergkette zu und erreichen einen winzigen klaren See, weit genug entfernt vom nächsten Dorf. Zuerst stoßen sie Isa hinein, dann schubst Tschick Maik hinterher. Das Wasser ist eiskalt. Isa und Maik müssen durch den halben See zu einer Böschung schwimmen und balgen sich im Wasser. Dort angekommen, zieht Isa ihre Sachen aus und seift sich ein. Maik weiß zunächst nicht, wo er hinschauen soll. Doch dann kommt Tschick in einer Badehose dazu und plötzlich ist alles ganz normal und ungezwungen. Sie verbringen den Abend dort. Isa trägt jetzt Maiks Sachen. Maik und Tschick versuchen mehr über sie herauszufinden, wie zum Beispiel über die Holzkiste, die sie immer bei sich trägt. Aber Isa gibt keine persönlichen Informationen preis, außer ihren Namen Isa Schmidt.

Am nächsten Morgen geht Tschick einkaufen. Isa bittet Maik, ihr die Haare zu schneiden. Sie finden eine kleine Schere im Verbandskasten und Isa zieht ihr T-Shirt aus, damit es nicht voller Haare ist. Maik ist das peinlich. Er ist unsicher, wohin er schauen oder wo er Isa berühren soll. Isa bemerkt einen Mann, der ein Stück entfernt onaniert. Sie vertreibt ihn mit Steinen und wilden Rufen und kommt anschließend zurück, als sei nichts passiert.

Maik ist wie versteinert, aber auf Isas Aufforderung setzt er das Haare schneiden fort. Er ist zufrieden mit seinem Werk und sagt, dass Isa schön sei. Sie bestaunen eine Weile die Natur. Dann fragt Isa plötzlich, ob Maik schon mal Sex hatte. Dieser ist überrumpelt und verneint dies, genauso wie die Frage, ob er mit Isa schlafen wolle. Darauf nimmt Isa ihre Hand von seinem Knie, wo sie sie zuvor abgelegt hatte.

Maik muss lange nachdenken. Er kommt zu dem Schluss, dass er Isa immer mehr mag, aber nicht mit ihr schlafen will. Schließlich fasst er den Mut, ihr zu sagen, dass er es schön fand, als sie ihre Hand auf seinem Knie hatte. Isa will wissen, wieso, bemerkt aber, dass Maik zittert. Sie schlägt vor, dass sie sich küssen könnten. Doch dann kommt Tschick zurück.

Analyse

Am Anfang des 29. Kapitels wird die erfolglose Suche nach einem Schlauch im Zeitraffer beschrieben. Das trifft auch auf nachfolgende Passagen zu, in denen die Jugendlichen Wege zurücklegen. Erst mit Isas Hilfe finden sie, was sie suchen. Auch später ist sie es, welche das Benzin tatsächlich stiehlt. Ohne Isa wären Maik und Tschick nicht weitergekommen - eine Hommage an die Hilfe und das Miteinander von Menschen, die im Roman immer wieder durch kleine und große Begegnungen aufgezeigt werden.

Obwohl Maik und Tschick die Straftaten ohne Gewissensbisse vollziehen und einzig und allein die Fortsetzung ihrer Reise im Sinn haben, wird Maik sich der Regelverstöße bewusst: »Die einzigen Verbrecher, die in diesem Wald rumliefen, waren garantiert wir. Aber vielleicht war es das, was mich beunruhigte.« (159) Er erkennt, dass er sich verändert. Derartige Erkenntnisse haben immer etwas Aufregendes, aber auch Beunruhigendes, da man seine vertrauten Muster verlässt.

Auf das Mädchen, das auf der Müllkippe zu leben scheint, reagiert Tschick ablehnend. Maik hingegen geht auf sie zu. Es lassen sich einige Parallelen zwischen den dreien ausmachen. Sie befinden sich im selben Alter und sind, zumindest im Moment, auf sich allein gestellt. Tschick und Maik kommen aus zerrütteten Elternhäusern. Auch von Isa erfährt man keine familiären Hintergründe, mit Ausnahme von einer Halbschwester in Prag. Sie ist allein, eine Einzelgängerin.

Als Maik ein Fotoalbum findet, auf dem eine strahlende Familie abgebildet ist, wird der Kontrast zu seiner eigenen Familie herausgestellt. Maik fürchtet, seine Mutter unglücklich zu machen. Das zeigt, dass er sie liebt, obwohl sie ihm keine stabile Basis der Fürsorge und Sicherheit bieten kann.

Der Kontakt mit Isa ist durch eine Aneinanderreihung unzähliger Schimpfwörter und obszöner Begriffe verbalisiert. Isa spielt dabei ein Spiel aus Verteidigung und Angriff, die Jungs sind in ihr Revier vorgedrungen. Trotzdem ist sie an deren Machenschaften interessiert. In ihrem Wortgefecht gleicht sich die Erzählzeit wieder an die erzählte Zeit an.

Während Tschick Isa unbedingt loswerden will, wird für Maik eine Verbindung zu Tatjana aufgebaut, als Isa »Survivor« von Beyoncé singt. Noch begreift er es nicht, aber bereits in diesem Moment beginnt er sich in Isa zu verlieben: »Ich hielt eine Ranke mit Daumen und Zeigefinger vorsichtig von mir weg und schaute zwischen den Blättern durch auf das Mädchen, das da singend und summend und Brombeeren kauend im Gebüsch stand. [...] - mir wurde ganz seltsam zumute.« (157f.)

Durch Isas Direktheit gelingt eine andere Annäherung als zwischen Tatjana und Maik. Maik ist mit dieser Nähe jedoch sichtlich überfordert und unerfahren. Als er Isas Haare schneiden soll und mit ihrem nackten Oberkörper konfrontiert wird, weiß er nicht, wohin er schauen soll und vermeidet es, sie zu berühren. Trotzdem wagt er, ihr zu sagen, dass sie schön sei. Maik ist überrumpelt, als Isa ihn auf seine sexuellen Erfahrungen anspricht: »Mein Gehirn nahm ungeheuer Fahrt auf, und ich würde schätzungsweise fünfhundert Seiten brauchen, um aufzuschreiben, was mir in den nächsten fünf Minuten alles durch den Kopf ging.« (171) Maik kommt zu dem Schluss, dass er nicht mit Isa schlafen möchte. Und auch zum Kuss kommt es nicht, da sie von Tschick unterbrochen werden. Trotzdem gewinnt Maik durch Isas Direktheit an Mut, erkennt seine Bedürfnisse und kann diese, wenn auch schüchtern und zitternd, äußern: »Aber ich fand es schön mit deiner…ähchrrm. Hand auf meinem Knie.« (172)

Die verbal aggressive Abneigung zwischen Tschick und Isa verändert sich ebenfalls. Sie werden Freunde. Als Isa am See ihre Sachen ablegt, ist das Maik zunächst peinlich. Zusammen mit Tschick erhält dieser Moment jedoch eine Spur Normalität. Sie waschen sich, nicht mehr und nicht weniger: »und komischerweise gab es überhaupt keine Diskussion mehr. Keiner sagte etwas, keiner fluchte, und keiner machte einen Witz. Wir wuschen uns nur [...] und benutzten alle dasselbe Handtuch.« (167) Die Jugendlichen nehmen sich an, wie sie sind. Es sind keine obszönen Bemerkungen notwendig, um sich zu behaupten.

Mit den Worten »Ich hatte den Verdacht, dass wir überhaupt nicht vorangekommen waren mit unseren Landstraßen und Feldwegen. Aber es war auch ziemlich egal. Mir zumindest« (165) wird deutlich, dass für Maik die Walachei längst nicht mehr das Ziel ist. Die Reise selbst ist das Ziel und die Zeit, die er mit seinen Freunden verbringt.

Veröffentlicht am 28. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2023.