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Tschick

4. Abschnitt (Kapitel 12-14)

Zusammenfassung

Tatjanas Geburtstagsparty soll in den Sommerferien im Haus ihres Onkels in Werder bei Potsdam stattfinden. Sie plant eine große Übernachtungsparty ohne Erwachsene. Maik ist besonders aufgeregt. Er weiß, dass Tatjana Beyoncé mag. Obwohl Maik Beyoncé zuerst nicht leiden konnte, hat er angefangen, ihre Musik zu hören. Er denkt dabei an Tatjana. Maik kann besonders gut zeichnen und fertigt wochenlang ein Bleistift-Portrait von Beyoncé als Geburtstagsgeschenk an.

Doch die Einladung bleibt aus. Fast die ganze Klasse, bis auf die Außenseiter, ist eingeladen. Am letzten Schultag wartet Maik extra bis zum Schluss, in der Hoffnung, noch eine Einladung zu erhalten. Doch statt Tatjana spricht Tschick ihn auf seine Jacke an und will sie ihm abkaufen. Maik gibt ihm nur knappe Antworten und geht weiter. Tschick ruft ihm hinterher und holt auf, aber Maik ignoriert ihn. Als er merkt, dass Tschick nichts Übles vorhat, wird er mutiger. Eine Weile gehen sie schweigend nebeneinander her, bis Tschick eine Abzweigung in Richtung der Hochhäuser nimmt.

Maik ist allein zu Hause und fühlt sich elend. Er bemerkt, dass er wegen Tschick sein Fahrrad vergessen hat und macht sich zurück auf den Weg zur Schule. Dabei hält er beim Spielplatz an und setzt sich auf den Indianerturm, wie immer, wenn es ihm schlecht geht.

Um den Spielplatz sollten eigentlich Einfamilienhäuser gebaut werden. Doch dann entdeckten Naturschützer seltene Arten. Seitdem befinden sie sich mit den Baufirmen im Prozess. Dieser Prozess hat Maiks Vater ruiniert, dem ein Viertel des Baulandes gehörte. Von da an machte er nur Verluste. Heute ist die Familie pleite.

Ein weiterer Grund, warum Maik auf den Spielplatz geht, ist, dass er von dort auf das Viertel schauen kann, in dem Tatjana wohnt. In einem Zimmer geht abends immer ein grünes Licht an und Maik bildet sich ein, dass dies Tatjanas Zimmer sei. Manchmal sitzt er da und wartet, bis das Licht aufleuchtet. An diesem Tag ist es aber noch zu früh. Als er sein Fahrrad vom verlassenen Schulgelände holt, wird ihm bewusst, dass ihm sechs Wochen Sommerferien ohne Tatjana bevorstehen.

Zurück zu Hause weiß Maik nicht, was er anstellen soll. Er versucht sein Fahrradlicht zu reparieren, stellt sein Zimmer um, beginnt die Beyoncé-Zeichnung zu zerreißen, rennt schreiend durch den Wald und fühlt sich erst nach einer langen Dusche besser. Als sein Vater nach Hause kommt, erinnert er Maik daran, dass seine Mutter heute wieder für vier Wochen in die Klinik gehe. Maik hilft ihr, die Taschen zum Taxi zu tragen und verabschiedet sich. Als sie fort ist, berichtet Maiks Vater, dass er für zwei Wochen auf Geschäftsreise müsse. Später kommt seine 19-jährige Assistentin Mona vorbei, um ihn abzuholen. Maik ist klar, was das bedeutet. Seine Eltern wissen voneinander, dass sie sich mit anderen Personen treffen. Nur wenn sie allein sind, schreien sie sich an. Maik fragt sich, warum sie sich nicht scheiden lassen. Womöglich wollen sie unglücklich sein. Eine andere Erklärung findet er nicht. Sein Vater verabschiedet sich von ihm, wobei er Maik nochmal daran erinnert, wie er sich zu verhalten habe und wo das Geld läge. Als sie weg sind, malt sich Maik aus, dass er eigentlich ein Geheimagent sei und Mona auf ihn warten müsse. Er bricht auf den Fliesen zusammen und weint. Danach geht es ihm besser.

Später kommt die vietnamesische Putzfrau vorbei. Sie spricht kein Deutsch und Maik versucht ihr begreiflich zu machen, dass sie die nächsten zwei Wochen nicht kommen müsse. Es ist ihm unangenehm, dass für seine Familie geputzt wird. Die nächsten Wochen will er allein sein.

Doch dann kommt Tschick auf einem ramponierten Fahrrad die Straße runter. Als er das Werkzeug von Maiks Reparaturversuchen sieht, fragt er, ob er es sich ausleihen könne. Da Maik keine Lust auf Diskussionen hat, gibt er es ihm und behauptet, keine Zeit zu haben. Er legt sich aufs Bett, aber kommt nicht zur Ruhe. Als er aus dem Fenster schaut, sieht er Tschick, der begeistert am Pool steht. Sie kommen ins Gespräch. Maik fragt ihn, was er eigentlich damals zu dem älteren Schüler gesagt habe. Da Tschick mit »Russenmafia« antwortet, weiß Maik, dass dies nur ein Bluff ist. Was wirklich bei Tschick los ist, erfährt er allerdings nicht. Schließlich spielen sie Playstation. Das Gespräch fällt auf Tatjanas Party. Maik behauptet, dass er keine Lust auf die Party habe, aber gesteht dann, dass er nicht eingeladen wurde. Tschick glaubte, dass er als Einziger nicht eingeladen wurde und zählt die ganzen Mädchen auf, die da sein werden. Das stimmt Maik nur noch deprimierter. Tschick geht erst gegen Mitternacht. Maik ist froh, dass der Tag endlich vorbei ist.

Analyse

Mit Tatjanas Geburtstagsparty und Maiks hingebungsvoller Anfertigung des Geschenkes wird seine Verliebtheit deutlich. Dass er keine Einladung erhält, bestätigt ihn in seinem Selbstbild, langweilig zu sein: »Logisch. Die größten Langweiler und Asis waren nicht eingeladen, Russen, Nazis und Idioten. Und ich musste nicht lange überlegen, was ich in Tatjanas Augen wahrscheinlich war. Weil, ich war ja weder Russe noch Nazi.« (61)

Die Beschreibung des grünen Lichts, das er vom Indianerturm aus beobachtet, macht Tatjana symbolisch zum Hoffnungsträger. Dieses Bild wird durch das trostlose Szenario verstärkt: »Aber rund um den Spielplatz ist nichts, ein riesiges Brachland, das ursprünglich mal Bauland war.« (65). Maik beschreibt rückblickend die unglückliche Entwicklung der Geschäfte seines Vaters. Dies erfolgt im Zeitraffer. Als Jugendlicher scheint er diese hinzunehmen, aber auch nicht wirklich greifen zu können. Stattdessen gibt er die Worte seines Vaters wider, die durch obszöne Begriffe und Fäkalsprache dessen Wut und Hilflosigkeit ausdrücken: »Jahrelang redete mein Vater immer nur von Scheiße, Wichsern und Faschisten.« (65)

Der Indianerturm wird zu seinem Zufluchtsort, stellt aber auch seine Einsamkeit heraus. Er hat keine Freunde und keine sichere Verbindung zu seinen Eltern, um sich vor diesen öffnen zu können. Stattdessen klammert er sich an ein grünes Licht, von dem er nicht einmal sicher weiß, dass es zu Tatjana gehört: »und wenn das Licht aufleuchtet, wird mir immer ganz warm ums Herz, und wenn es nicht leuchtet, ist das jedes Mal eine Riesenenttäuschung.« (67) Tatjana steht für seine Sehnsucht nach Nähe und Zugehörigkeit. Sie wird zu einem Idealbild verklärt, das Maik durch seine Schüchternheit und Distanz nicht auf Echtheit prüfen kann.

Im 12. Kapitel kommt es zu einem ersten Annäherungsversuch zwischen Tschick und Maik, der von Tschick initiiert wird. Maik reagiert ablehnend, was er folglich in Ängsten begründet. Unfreundlichkeit macht ihn nervös. Auf Freundlichkeit reagiert er beleidigend. Auch das ist ein Indiz für sein mangelndes Selbstwertgefühl. Maik geht lieber auf Abwehr als sich anderen anzuvertrauen.

Ihr Wortwechsel kreiert ein deckendes Erzähltempo: Die Erzählzeit entspricht der erzählten Zeit. Auffallend ist, dass Tschick sich von Maiks ablehnendem Verhalten nicht einschüchtern lässt. Er fragt ihn Persönliches und macht ihm Komplimente für seine Jacke. Maik hingegen stellt gedanklich ihre Gegensätze heraus: »reich, feige, wehrlos.« (62)

Tschicks Hartnäckigkeit hat zur Folge, dass die beiden sich wiedersehen, gemeinsam Videospiele spielen und ins Gespräch kommen. Obwohl Maik noch immer abwertend reagiert und nicht seine wahren Empfindungen preisgibt (insbesondere was Tatjanas Party angeht), baut sich eine Verbindung zwischen den beiden auf. Für Maik sind ihre Unterschiede vordergründig. Allerdings sind sie beide Außenseiter und Einzelgänger, die darin eine Gemeinsamkeit finden können.

Das 13. Kapitel stellt Maiks missliche Familiensituation heraus: Die Mutter ist alkoholabhängig und auf dem Weg zur Klinik. Der Vater lässt seinen Sohn für eine 14-tägige Geschäftsreise allein zurück, um diese in erster Linie mit seiner Affäre zu verbringen. Maiks Einsamkeit und Enttäuschung werden von den Eltern nicht wahrgenommen. Diese zeigen sich, indem er schreiend durch den Wald rennt oder beginnt, die Zeichnung für Tatjana zu zerreißen. Besonders sein Zusammenbruch auf den Fliesen, nachdem sein Vater abgereist ist, lassen diese deutlich werden. Seine Schwärmereien für Mona thematisieren Maiks Entwicklung vom Jungen zum Mann und die Entdeckung seiner Sexualität. Die Wahrnehmung Monas körperlicher Reize steht im Kontrast zur fernen Bewunderung Tatjanas (vgl. Kramper, 76).

Am Ende des 14. Kapitels wird erstmals die Thematik der Homosexualität angesprochen. Tschick erwähnt Schwule nebensächlich, als er von den Mädchen schwärmt, die auf der Party erscheinen. Da sich am Ende des Romans herausstellt, dass Tschick selbst schwul ist, kann dies als ein Versuch seinerseits gedeutet werden, seine wahren sexuellen Interessen aus Scham zu verstecken.

Veröffentlicht am 28. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2023.