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Tschick

5. Abschnitt (Kapitel 15-19)

Zusammenfassung

Am Morgen des ersten Ferientages wacht Maik so früh auf wie an einem gewöhnlichen Schultag. Er genießt seine Freiheiten, dreht laut Musik auf und lässt das Wasser mit dem Gartenschlauch durch den Garten spritzen.

Es ist noch früh, als Tschick in einem klapprigen Lada vorgefahren kommt. Er lädt Maik ein, irgendwohin zu fahren. Maik findet das überhaupt nicht komisch und steigt nur ein, um sich das Auto von innen anzuschauen. Tschick behauptet, der Wagen sei nicht geklaut, sondern nur geliehen. Er und sein Bruder hätten das schon öfter gemacht und der Besitzer habe nichts dagegen. Maik ist das zu gefährlich. Sie beginnen sich zu streiten. Tschick behauptet, es könne nichts passieren. Außerdem sei man erst ab 15 strafmündig. Maik weigert sich mitzufahren, aber steigt auch nicht aus. Er will einmal nicht feige sein.

Sie fahren los. Maik ist aufgebracht, weil sich Tschick nicht an die Verkehrsregeln hält. Der bleibt hingegen locker. Er fragt Maik, ob er schwul sei, da er die Mädchen, insbesondere Tatjana, auf die alle stehen, nicht ansieht. Für Maik ist das selbstverständlich, alles andere wäre entsetzlich peinlich. Für Tschick wäre es kein Problem, wenn Maik schwul sei. Der wird wütend und versucht, Tschick zu erklären, was eigentlich los ist. Das Gespräch endet wieder bei Tatjanas Party. Zurück in Maiks Zimmer zeigt Maik Tschick die Beyoncé-Zeichnung als Beweis. Tschick erkennt sofort, dass Maik Gefühle für Tatjana hat. Maik ist überrascht, wie ernst Tschick dabei bleibt und mag das an ihm. Tschick ist der Meinung, dass Maik unbedingt etwas unternehmen müsse. Maik behauptet, er könne nicht uneingeladen bei Tatjanas Party aufkreuzen, ihr die Zeichnung überreichen und wieder gehen. Doch Tschick meint, dass er es genauso machen würde.

Maik ist entschieden dagegen. Er glaubt, nicht eingeladen worden zu sein, weil er langweilig und nicht gut aussehend sei. Tschick sieht den Grund eher darin, dass Maik nicht auffalle. Auf der Fahrt nach Werder hört Maik nicht auf zu protestieren, bis ihm irgendwann die Einzigartigkeit des Moments bewusst wird: Er sitzt in einem Auto, das ihm nicht gehört und ist quer durch das abendliche Berlin unterwegs. Das Haus, in dem die Party stattfindet, ist leicht zu finden. Maik versteckt sich im Fußraum, als sie daran vorbei fahren. Doch sie werden nicht bemerkt. Sie parken ein Stück abseits. Tschick steigt aus und geht auf Tatjana zu, die gerade André begrüßt. Er spricht mit ihnen und winkt dann Maik zu sich. Dieser steigt wie hypnotisiert aus dem Wagen und gibt Tatjana mit knappen Sätzen die Zeichnung. Unter dem Vorwand, sie hätten noch was vor, gehen sie zurück zum Auto. Tschick legt eine filmreife Wendung hin, Tatjana und André haben sich vor Verwunderung nicht gerührt und Maik ist mehr als erleichtert.

Tschick und Maik spielen bei Maik zu Hause Videospiele. Tschick trinkt Bier und Maik versucht sich auch daran. Schließlich schlägt Tschick vor, gemeinsam wegzufahren. Sie beginnen sich gegenseitig aufzuziehen. Tschick will in die Walachei, weil er da Familie hätte. Maik ist jedoch der sicheren Überzeugung, dass es die Walachei nicht gäbe. Er genießt ihre Auseinandersetzung. Als Tschick weg ist, überkommt Maik eine Leere. Seine Gedanken schweifen wieder zu Tatjana und er fragt sich, was sie von ihm halte. Als er die Walachei googelt, beginnt er, ernsthaft über Tschicks Vorschlag nachzudenken. In der nächsten Nacht klauen sie den Lada und beladen ihn mit allen möglichen nützlichen bis weniger nützlichen Dingen. Auf CDs und Handys verzichten sie, denken aber an Wasser und Geld.

Analyse

Das 15. Kapitel leitet den Beginn der Sommerferien ein. Maik genießt es, von keinem Erwachsenen herumkommandiert zu werden. Pflichten wie den Garten zu wässern, machen auf einmal Spaß, wenn er sich bewusst dazu entscheidet. Damit wird das Bedürfnis nach Selbstbestimmung etabliert.

Seine jugendlichen Spielereien werden von Tschick unterbrochen, der in einem klapprigen Auto vorfährt. Dabei werden ihre gegensätzlichen Charakterzüge deutlich: Während für Tschick das keine große Sache zu sein scheint, dominieren bei Maik Angst und Nervosität hinsichtlich eines Gesetzesverstoßes. Nur aus Neugier setzt er sich in den Wagen und ist darauf bedacht, keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Dass er dann doch eine Proberunde mit Tschick dreht, ist einzig dem Anspruch geschuldet, einmal kein Feigling zu sein. Maik will aus seinen üblichen Mustern entfliehen. Die sich langsam anbahnende Freundschaft zu dem lässigen Tschick scheint ihm dies zu ermöglichen. Womöglich senkt Tschick die Hemmschwelle mit seiner Behauptung, dass man erst ab 15 strafmündig sei. Damit wird der Bezug zum 1. Kapitel hergestellt und erklärt, warum Maik auf der Polizeistation von dem eigentlichen Gesetz unangenehm überrascht wird.

Die Unterredung der beiden ermöglicht eine deckendes Erzähltempo und ist außerdem geprägt von Fäkalsprache und für Jugendsprache typische Anglizismen wie zum Beispiel: »No way.« (83) Während »schwul sein« von Tschick anfänglich noch als Stichelei verwendet wird (vgl. 82), schneidet er das Thema später ernsthaft an und macht deutlich, dass er damit kein Problem habe. Bei Maik trifft dies jedoch auf das ihm bekannte Gefühl, missverstanden zu werden. Erst als er Tschick die Zeichnung für Tatjana zeigt, kann er seine Gefühle verdeutlichen. Dieser Moment, der durch Tschicks ernste und demzufolge erwachsene Reaktion gekennzeichnet ist, bildet eine Grundlage für ihre Freundschaft: »Er sagte das im Ernst, ohne jeden Scheiß. Das fand ich reichlich merkwürdig. Und es war das Erste Mal, dass ich dachte: Der ist ja wirklich gar nicht so doof.« (88)

Ihre Gegensätze zeigen sich weiterhin darin, dass es für Maik selbstverständlich ist, seine Gefühle zu verstecken und Tatjana nicht zu beachten, während Tschick der Meinung ist, Maik solle etwas unternehmen. Allerdings verheimlicht Tschick ebenfalls seine wahren sexuellen Interessen. Ihre Verbindung führt dazu, dass Maik aus seiner Komfortzone treten muss, was Tschick auf verständnisvolle Art gelingt. Indem er sich Tschick anvertraut, erfährt Maik, dass seine Eigenwahrnehmung nicht der Realität entspricht. Obwohl Maik protestiert, lässt er sich von Tschick zu Tatjanas Party fahren und macht dabei eine neue Erfahrung: wie es sich anfühlt, die gewohnte Umgebung und die Sicherheit zu verlassen: »und mir fiel zum ersten Mal auf, wie merkwürdig es war, in einem Auto, das einem nicht gehört, durch die Straßen zu gondeln, durch das abendliche Berlin« (91). Dass sie dabei gegen das Gesetz verstoßen, rückt in den Hintergrund. Mit Tschick an seiner Seite gelingt es Maik, das Mädchen anzusprechen, für das er seit Jahren schwärmt.

Die erfolgreiche Aktion und Maiks Überwindung seiner Ängste lassen die beiden näher zusammenrücken. Im 18. Kapitel wird von Tschick erstmals die Idee eines Urlaubs vorgeschlagen. Die Walachei soll das Ziel sein. Obwohl sich die Jungen darüber streiten, genießt Maik ihre Unterhaltung: »Ich hatte mich wirklich noch nie so gut unterhalten.« (99) Ohne Tschick kehrt die Leere in Maik zurück. Er denkt wieder an Tatjana und fühlt sich an seine unerreichbaren Sehnsüchte erinnert. Das führt dazu, dass Maik ernsthaft über Tschicks Vorschlag nachdenkt. Obwohl er feststellt, dass die Walachei tatsächlich existiert, dominiert für ihn die Aussicht, dem Alltag zu entfliehen.

Teil der Unterhaltung zwischen Maik und Tschick ist auch das Bier-Trinken. Auf ihrem Weg zu Erwachsenen stellt das Ausprobieren von alkoholischen Getränken einen Reiz dar. Obwohl dies für Tschick bereits selbstverständlich scheint, erfolgt keine Nötigung gegenüber Maik. Maik probiert es selbst aus, entscheidet sich später aber doch für Cola. Der Alkoholismus im Jugendalter taucht als typische Problematik im Roman auf, wird aber nicht vordergründig thematisiert.

Eine Regelüberschreitung erfolgt bei dem erneuten Diebstahl des Ladas. Obwohl es sich dabei um eine Straftat handelt, ist zu differenzieren, dass die Motivation von Maik und Tschick in der Erfüllung ihrer persönlichen Wünsche liegt, nicht darin, jemandem zu schaden. Sie vollziehen ihre Tat jedoch ohne weitreichende Beachtung der Konsequenzen, ein Verhalten, das sie auf der gesamten Reise aufrechterhalten und das Abenteuer erst möglich macht.

Veröffentlicht am 28. Dezember 2023. Zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2023.