Skip to main content

Krabat

Historischer Hintergrund und Epoche

»Krabat« gehört zu den bekanntesten deutschen Jugendbüchern der Nachkriegszeit. (Vgl. Drumm 176) Die Epoche kann als »neue Aufklärung« betrachtet werden, da Märchen und Sagen hier in den Hintergrund gerückt wurden, um Platz für Gesellschaftskritik und Emanzipation zu schaffen. (Vgl. ebd.) Preußlers poetische Adaption einer Sagengestalt passte nicht in den Rahmen der realistischen, sozialkritischen Alltagswirklichkeit, sodass er zunächst umstritten war. (Vgl. ebd.)

Dennoch thematisiert Preußler – wenn auch eher subtil – die jüngere Vergangenheit Deutschlands. Dass in der Mühle an Neumondnächten auch Zähne gemahlen werden, ist Marunska zufolge eine Anspielung auf die Grausamkeiten der Nationalsozialisten, um hier ein Beispiel zu nennen. (Vgl. Marunska 248) Als weitere relevante Werke der 1970er-Jahre sind »Momo« sowie »Die unendliche Geschichte« von Michael Ende zu nennen – auch hier handelt es sich um Jugendbücher, die sich mit Magie befassen.

Preußlers Werk basiert auf einer alten sorbischen Volkserzählung, die von dem Zweikampf eines Zauberlehrlings und seines Meisters handelt. (Vgl. Preußler 184) Es handelt sich um eine Geschichte, »die schon im alten Indien vorkommt und seither immer wieder an den verschiedensten Orten in verschiedenartigsten Überlieferungen auftaucht«. (Ebd.)

Der Autor entdeckte die Geschichte als Kind in einem Sagenbuch der Lausitz, welches er in der Bibliothek seines Vaters fand und arbeitete ab den späten 1950er-Jahren insgesamt etwa zehn Jahre an seinem Roman. (Vgl. ebd.) In dieser Zeit befasste Preußler sich mit dem Leben der Sorben in der Frühen Neuzeit, zu dem beispielsweise ihre Osterbräuche gehörten. Primär beschäftigte sich der Autor aber mit der Mühlentechnik des 17. und 18. Jahrhunderts sowie mit dem Lebensalltag der Müller und der Mühlknappen. (Vgl. Marunska 245) Durch seine umfassende Recherche gelang ihm eine sehr präzise Darstellung der damaligen Realität. Um die Welt um seine Schwarze Schule zu konstruieren, bediente Preußler sich mehrerer volkstümlicher Überlieferungen. »Der Roman Krabat ist daher ein zum Teil historisches Buch, dessen fiktionale Dimension sich unverkennbar mit der Realität des Mahlwesens in der Frühen Neuzeit assoziieren lässt.« (Marunska 245)

Die Sage um Krabat ist sowohl zeitlich als auch geografisch klar lokalisiert – sie spielt im frühen 18. Jahrhundert in der Oberlausitz nahe Kamenz und Hoyerswerda. Preußler recherchierte die genaue Geografie der Lausitz, um die Schauplätze aus der Sage möglichst treffend zu gestalten. Dies gelang ihm gut, so wurde er von zahlreichen Lesern gefragt, ob er, der Krabats engere Heimat in Wahrheit zuvor nie betreten hatte, in Schwarzkollm oder einem der umliegenden Dörfer aufgewachsen sei. (Vgl. Preußler 184f.) Neben den geografischen Details achtete er auch darauf, sorbische Vornamen für seine Figuren zu wählen.

Besonders interessant ist diesbezüglich der Namensursprung des Protagonisten. Der Name Krabat bezieht sich – aller Wahrscheinlichkeit nach – auf eine historische Figur, die es tatsächlich in der Realität gab. Der Name bedeutet »Kroate« und wird mit dem kroatischen Obristen Johann von Schadowitz in Verbindung gebracht. Dieser diente in der Armee von Augustin I. und erhielt als Dank für seine Kriegsdienste die Herrschaft über das Gut Groß-Särchen. (Vgl. Andersson 15) Der Obrist wurde vor allem aufgrund seiner Lebensumstände zur Sagengestalt: Er war als Kroate ein Fremder, er war reich und hatte sein Gut vom sächsischen König erhalten. (Vgl. Ehrhardt 17)

    Die Handlungszeit lässt sich anhand von im Roman erwähnten historischen Vorfällen leicht bestimmen: es geht um die Regierungszeit des Großen Kurfürsten von Sachsen, der sich bekanntlich in einen verhängnisvollen Krieg gegen die damals kaum zu schlagenden Schweden verwickelt hatte. (Marunska 246)

Der Große Nordische Krieg dauerte von etwa 1700 bis 1721. Durch die Beschreibung des Erzählers lässt sich der Roman insofern zeitlich einordnen, als dass klar ist, dass die Handlung nicht gleich zu Beginn des Krieges stattfindet.

    Der polnischen Krone wegen führte der Kurfürst von Sachsen seit Jahren Krieg mit dem Schwedenkönig; und da man zum Kriegführen außer Geld und Kanonen vor allem Soldaten braucht, ließ er im Lande fleißig die Trommel rühren und Truppen anwerben. (S. 69)

Der Kurfürst von Sachsen wird mehrfach im Buch erwähnt und tritt sogar als Figur in der Geschichte auf: Der Meister nimmt Krabat mit nach Dresden, wo er den Kurfürsten überzeugen will, den Krieg weiterzuführen. Der Ausruf »Vivat Augustus! […] Ruhm und Ehre dem Kurfürsten – Tod den Schweden!« (S. 114) bestätigt dies.

Veröffentlicht am 11. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 11. Juli 2023.