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Krabat

Das erste Lehrjahr, Kapitel 4-6

Zusammenfassung

Krabats Eltern starben im letzten Jahr an den Pocken, woraufhin er von dem Pastor und seiner Frau aufgenommen wurde. Er wurde dort gut behandelt, konnte sich jedoch nicht an das viel geordnetere und gehobenere Leben im Haus des Pastors gewöhnen. So lief er weg und wurde zum Betteljungen.

Krabat denkt darüber nach, dass er womöglich auch in der Mühle im Koselbruch nicht dauerhaft bleiben möchte und nimmt sich vor, im Sommer wegzulaufen. Nach diesem Beschluss träumt er in der Nacht von seiner Flucht. Im Traum begegnet er zahlreichen Tieren, denen jeweils das linke Auge fehlt. Er fühlt sich beobachtet und versucht, die Tiere zu verjagen, doch es tauchen stetig neue auf. Auf seinem Weg hält er an Tondas Grab an, doch auch hier lauern die einäugigen Tiere. Letztlich gelangt Krabat nicht wie gewünscht zur Heide, sondern zurück zur Mühle, wo der Meister bereits auf ihn wartet. Am Tag darauf versucht er es erneut und scheitert wieder – diesmal empfangen ihn die Mühlknappen, Lyschko hämisch redend, die anderen mitleidig schauend. Krabat läuft ein drittes Mal davon, aber scheitert erneut. Diesmal trifft er an der Mühle auf Juro, der ihm sagt, dass das Weglaufen allein unmöglich sei, sie es jedoch gemeinsam versuchen könnten. Als Krabat am nächsten Morgen erwacht, spricht er Juro darauf an, dass dieser im Traum zu ihm gesprochen habe. Doch Juro entgegnet nur, dass es wohl Blödsinn gewesen sein müsse.

Die Mühle im Koselbruch hat sieben Mühlgänge, von denen einer stets unbenutzt bleibt – dieser wird der Tote Mahlgang genannt. Krabat fegt den Toten Mahlgang aus und bemerkt frische Mehlreste. Als er den Mahlgang genauer untersucht, stellt er fest, dass hier keine Körner gemahlen wurden, sondern Knochen und Zähne. Tonda kommt in den Toten Mühlgang, schickt Krabat weg und mahnt ihn, das Gesehene zu vergessen.

Folgend wird der Alltag der Mühlknappen weiter beschrieben. Tonda übernimmt besonders gefährliche Arbeiten für Krabat, die Jungen gehen gemeinsam zum Holzfällen hinaus und die Wochen vergehen, ohne dass etwas passiert. Eines Nachts träumt der Junge, dass ein Feuer in der Mühle ausgebrochen sei und alle Mühlknappen aus dem Schlafraum fliehen. Nur er selbst ist unfähig, sein Bett zu verlassen.

Als er aus dem Albtraum erwacht, sind die übrigen Betten tatsächlich leer und wirken, als seien sie in Eile verlassen worden. Krabat stellt sich ans Fenster, um nach den Knappen und einem möglichen Feuer Ausschau zu halten und sieht vor der Mühle einen Planwagen, der von sechs schwarzen Pferden gezogen wird. Auf dem Wagen sitzt ein ebenso dunkel gekleideter Kutscher, der eine rote Hahnenfeder trägt, die in der Dunkelheit einer Flamme ähnelt. Die Gestalt lässt eine Peitsche knallen, um die Mühlknappen anzutreiben, die Säcke vom Wagen zur Mühle tragen. Auch der Meister arbeitet mit, obwohl er im Alltag stets seine Mühlknappen für sich arbeiten lässt. Der Meister setzt die Mühle in Gang und nur der Tote Mühlgang beginnt zu arbeiten. Die Säcke werden daraufhin zurück auf den Wagen geladen. Krabat schläft am Fenster ein und erwacht, als der Wagen wegfährt – er bemerkt noch, dass dieser keine Spuren im Gras hinterlässt.

Der Junge kehrt in sein Bett zurück und stellt sich schlafend, als die übrigen Burschen zurückkehren. Beim Frühstück spricht Krabat mit Tonda über die Geschehnisse der Nacht und beschwert sich, dass ihn niemand geweckt habe. Tonda antwortet ihm, dass er sehr bald herausfinden würde, was es mit dem Meister und der Mühle auf sich habe.

Der Meister ruft am Karfreitag dreimal nach Krabat, ehe dieser ihn in seiner schwarzen Kammer erreicht. Die übrigen 11 Gesellen stehen bereits bereit. Der Meister erklärt Krabat, dass er seine dreimonatige Probezeit bestanden habe und nun vom einfachen Mühlknappen zum richtigen Lehrling werde. Er verwandelt Krabat in einen Raben und erzählt ihm, dass es sich bei der Mühle um eine Schwarze Schule handelt. Von solchen Schulen hatte Krabat bereits gehört, da es in der Lausitz mehrere von ihnen gab. Das angekettete Buch, welches schwarze Seiten mit weißer Schrift besitzt, nenne sich Koraktor, der Höllenzwang. Das Buch enthalte alle Zaubersprüche der Welt und sei nur für den Meister bestimmt. Er untersagt Krabat, es selbst aufzuschlagen.

Der Meister liest den Jungen, die allesamt in Raben verwandelt wurden, einen Zauberspruch vor, den sie wiederholen sollen. Da Krabat sich bemüht, die Stimmen der anderen Raben zu entziffern, erinnert er sich nicht an den vollständigen Satz. Der Meister erklärt ruhig, dass er sich besser konzentrieren müsse, da er sich nur selbst schade, wenn er nichts lerne. Nach der Lehrstunde werden die Raben zurück in Menschen verwandelt und Krabat kommt sich vor, als habe er nur einen Traum gehabt.

Analyse

Krabat wird als Freigeist dargestellt, der seinen Lebensstil gern selbst bestimmt und sich auch dann keine Vorschriften machen lässt, wenn dies auf nette Art erfolgt. Dies wird vor allem daran deutlich, dass er das Angebot, wie ihr eigenes Kind bei dem Pastor und seiner Frau zu leben, schon als Junge von 13 Jahren ausschlug und zu einem Leben auf der Straße aufbrach. Als er an diese Zeit zurückdenkt, hält er es für »nicht ausgeschlossen, dass er es auch auf der Mühle im Koselbruch nicht für ewig aushielt.« (S. 27) Obwohl Krabat zunächst keinen Grund sah, die Mühle zu verlassen, da sie ihm ein bequemeres Leben zu bieten scheint als er es als Straßenjunge hatte, ist ihm seine Unabhängigkeit auch weiterhin wichtig.

Hier bahnt sich bereits der Konflikt mit dem Meister an, da dieser seine Mühlknappen nicht freiwillig aus dem Dienst entlässt. Dies wird durch Krabats Traum verdeutlicht. Träume spielen eine besonders wichtige Rolle in Preußlers Roman, da es sich nie um zufällige Träume ohne tiefere Bedeutungsebene handelt. In diesem Fall kann der Traum als Botschaft des Meisters gesehen werden. Er warnt Krabat davor, aus der Mühle zu fliehen und zeigt ihm, dass all seine Versuche misslingen werden. Der Meister demonstriert hier seine Macht, da er imstande ist, die Träume der Mühlknappen zu beobachten und zu lenken. Dies bestätigt Juro im späteren Verlauf des Romans, als er Krabat eine magische Kette gibt, die die Traumkontrolle des Meisters unterdrückt. Dass dieser Traum vom Meister selbst ausgelöst wurde, ist zum einen daran erkennbar, dass Krabat ihn unmittelbar nach seinen Gedanken an eine mögliche Flucht träumt. Der Meister ahnt von Krabats Vorhaben und interveniert sofort dagegen, um jede Art von Auflehnung im Keim zu ersticken. Zum anderen tritt der Meister selbst in Krabats Traum auf. Er begegnet bei jedem seiner Fluchtversuche verschiedenen Tieren, darunter ist zum Beispiel »ein struppiger schwarzer Kater, fremd hier – und einäugig.« (S. 28) Diese können als Meister erkannt werden, da jedem von ihnen das linke Auge fehlt, welches auch dem Meister in seiner menschlichen Gestalt fehlt. Sobald er ein Tier verscheucht, taucht das nächste auf – es gelingt Krabat nicht, ihnen zu entkommen. Im einen Moment befindet sich der Meister in einer Tiergestalt auf Krabats Weg, im nächsten Moment begrüßt er ihn an der Mühle. Die Rolle des einäugigen Beobachters kommt auch im späteren Verlauf der Handlung noch einmal vor. Die Szenen dienen dazu, die Allgegenwärtigkeit und die Allmacht des Meisters zu demonstrieren.

Ein weiteres wichtiges Element, welches Preußler stetig nutzt, sind Vorausdeutungen auf folgende Geschehnisse. So zeigt Krabats Traum einen subtilen Hinweis auf den ersten Todesfall des Romans. Tonda, dessen Grab er im Traum besucht, lebt zum Zeitpunkt der Handlung noch. Auch diese Vorahnung kann als eine Botschaft des Meisters interpretiert werden, der Krabat abschrecken und zur Unterwerfung zwingen will. Er zeigt ihm auf subtile Weise, welche Konsequenzen er bei falscher Handlung zu befürchten hat. Preußler nutzt das Element der Vorausdeutungen an vielen Stellen des Romans, um den Spannungsbogen zu erhöhen.

Ebenso interessant ist die im Roman konstant verwendete Zahlensymbolik. Krabats Traum, der Mühle zu entfliehen, wiederholt sich dreimal. Genauso oft fordert der Meister ihn bereits im ersten Kapitel im Traum dazu auf, die Mühle aufzusuchen. In diesen Träumen ruft der Meister Krabats Namen jeweils dreimal. Preußler wählt die Zahl nicht zufällig, sondern unterstreicht damit die magischen Vorgänge in der Mühle. Laut Marunska gilt die Drei als magische Zahl, womit Preußler an die Tradition des Volksmärchens anknüpft. (Marunska 249) Eine weitere Zahl, die mit Zauberei identifiziert wird, ist die Sieben. Auch diese wird von Preußler einbezogen, als er beschreibt, dass die Mühle sieben Mahlgänge besitzt. Von den sieben Mahlgängen werden nur sechs regelmäßig benutzt, »der siebente nie; deshalb nannten sie ihn den Toten Gang« (S. 32). Die thematische Vereinigung von Magie und Tod gibt den Hinweis darauf, dass es sich um schwarze Magie handelt. Der Tote Gang trägt seinen Namen jedoch nicht nur wegen der seltenen Benutzung. Hier werden Knochen und Zähne für den Herrn Gevatter – der als Teufelsfigur betrachtet werden kann – gemahlen.

    Es handelt sich wohl um eine Schlüsselszene des Romans: dass in einem Mahlwerk Knochen gemahlen zerkleinert werden, das kann man in vielen Sagen und Märchen nachlesen; dass aber Zähne gemahlen werden, muss als eine Anspielung auf die Grausamkeiten der nationalsozialistischen Todesmaschinerie interpretiert werden. Dass damit eine leise Abrechnung mit der damals noch jüngsten Vergangenheit vorgenommen wird, kann nicht ausgeschlossen werden. (Marunska 248)

Auch in Bezug auf den Herrn Gevatter nutzt Preußler vor allem die Umschreibung der Dunkelheit, mit der er zu Beginn bereits die Mühle und den Meister beschrieb. Die Gestalt erscheint in der Nacht, auf einer dunklen Kutsche, die von rabenschwarzen Pferden gezogen wird. Der Mann ist schwarz gekleidet und sein Gesicht bleibt verborgen. Einzig die Feder am Hut des Mannes ist leuchtend rot und wird von Krabat mit einer Flamme assoziiert. Zuvor träumte er bereits, dass die Mühle brannte – ein Mann, dessen Auftreten mit Dunkelheit und Feuer assoziiert wird, ist klar als einer der Antagonisten erkennbar. Zudem wird hier deutlich, dass der Herr Gevatter dem Meister übergeordnet ist, da auch der Meister hart für ihn arbeitet, obwohl er im Alltag nur seine Knappen befehligt. Als der Herr Gevatter die Mühle verlässt, hinterlässt er keine Spur im Gras. Auch er ist der Zauberei fähig. Welche Art der Zauberei der Meister und der Herr Gevatter ausüben, wird bereits kurz darauf deutlich, als Krabat erfährt, dass es sich bei der Mühle um eine Schwarze Schule handelt. Dies ist nicht allein am Namen erkennbar, sondern auch daran, dass der Meister sein Wissen aus einem Buch bezieht, das er den »Höllenzwang« nennt. (S. 41)

Veröffentlicht am 11. Juli 2023. Zuletzt aktualisiert am 11. Juli 2023.