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Mutter Courage und ihre Kinder

Prüfungsfragen

  • Ist »Mutter Courage und ihre Kinder« ein Beispiel für das epische Theater?

    In gewisser Hinsicht, ja. Es kommen Verfremdungseffekte vor, allein schon die Song-Einlagen sind typisch episches Theater. Zieht man nun noch das Modell von 1949 zurate (vgl. Brecht 1964), so erscheint das Stück geradezu als Klassiker des epischen Theaters. Auch geht es Brecht nach eigener Aussage nicht darum, »die Courage am Ende sehend zu machen« (1443). Mutter Courage soll distanziert betrachtet werden, sie soll für Kritik empfänglich sein.

  • Trägt Mutter Courage eine Schuld am Tod ihrer Kinder?

    Sicherlich trägt sie dadurch eine Mitschuld, dass sie als Händlerin vom Krieg lebt. Eilif wurde ihr unter Vorspiegelung falscher Tatsachen weggenommen. Schweizerkas starb weniger aus Redlichkeit denn dadurch, dass er sich hat erwischen lassen. Kattrin schließlich hat sich selbst geopfert. Alle drei Kinder sind längst keine Kinder mehr, sondern tatkräftige Erwachsene. Es ließe sich Mutter Courage durchaus eine Schuld zuschreiben, vielleicht wäre dies aber auch ein Akt undifferenzierter Ethisierung. Persönliche Schuld wird zweitrangig, wenn es – wie Brecht meinte – gesellschaftliche Um- und Zustände sind, die das Handeln, Erleben und Fühlen prägen.

  • Was könnte als Aussage des Stückes gelten?

    Dass mit dem Krieg keine Geschäfte zu machen sind. Es sind höchstens kurzfristige Gewinne, die man aus dem Krieg schlagen kann. Auf die lange Sicht ist er in jeder Form ein Übel. Ferner: Mutter Courage stellt das Schicksal normaler Leute angesichts des Krieges dar. Sie müssen versuchen, irgendwie mitzukommen. Das wichtigste ist, den Anschluss nicht zu verlieren. In diesem Sinne ließen sich auch spannende Bezüge auf unsere heutige, von Medien geprägte Zeit herstellen. Vielleicht sind wir heutigen ja eigentlich wie die Courage. Der Krieg ist mittlerweile in den Sozialen Medien gezähmt, aber ähnlich verheerend.

  • Welches Paradox macht die Figur der Mutter Courage aus?

    Dass sie stets zwischen Mutterrolle und Händlerinnenrolle wechseln muss. Freilich ist der Ausschlag zu letztgenannter Rolle deutlich häufiger zu sehen. Mutter Courage ist eher die Marketenderin Courage, wenigstens hinsichtlich der Erwägungen, die sie tut.

  • Ist das Stück ein mehr oder weniger versteckter Hinweis auf den sich anbahnenden Zweiten Weltkrieg?

    Brecht war bereits 1933 aus Deutschland geflohen und befand sich, als er das Stück schrieb, im Exil in Schweden. Das Stück wurde in einer ersten Fassung beinahe einen Monat nach dem deutschen Überfall auf Polen geschrieben (vgl. Kugli 2001: 383). Ob Brecht allerdings wirklich von einem so umfassenden Konflikt ausging, wie es der Zweite Weltkrieg letzten Endes wurde, lässt sich nicht feststellen. Das Stück ist damit eher ein Stück über den Krieg als solchen. Es handelt sich um ein Anti-Kriegsstück.

  • Was motiviert sämtliche Figuren laut Brecht?

    Die gesellschaftlichen Umstände. Gemäß marxistischer Theorie sind es zunächst die Produktionsverhältnisse, die gesellschaftliche – zum Beispiel kulturelle – Verhältnisse präformieren. Sie bringen sie nicht hervor, bestimmen aber, auf welche Art sie hervortreten. Im Krieg bedeutet das eine bestimmte Ökonomie des Krieges: ein Markt, der mit dem Kriegsglück wechselt, eigentlich ein krisengeschüttelter Markt. Genau das ereilt auch die Figuren. Sie werden mit den Wechselfällen von Angebot und Nachfrage hin und her geschleudert, können aus diesem System aber nie ausbrechen. Nach Brecht sind es genau diese ökonomisch-gesellschaftlichen Verhältnisse, die die Welt so machen, wie sie ist.

  • Wie lassen sich die Tode der Kinder Mutter Courages interpretieren?

    Eilif wird dafür erschossen, dass er bei einem Bauern geplündert hat. Dabei ist die Frau des Bauern umgebracht worden. Ob Eilif die Frau selbst ermordet hat oder sich als Vorgesetzter zu verantworten hat, ist nicht bekannt. Schweizerkas wird von den katholischen Truppen als derjenige identifiziert, der die Regimentskasse in Verwahrung hatte. Er wird gefoltert, gesteht – und wird dann umgebracht. Kattrin hingegen ist die einzige, die nicht standrechtlich stirbt. Sie opfert sich, indem sie auf das Dach eines Bauernhofs klettert und die Trommel schlägt um die Stadt Halle vor den anrückenden Katholiken zu warnen. Freilich wird auch sie von einem Soldat erschossen. Mit anderen Worten: alle drei werden von soldatischen Kugeln getroffen. Das heißt für eine Interpretation: Die Kinder sterben direkt am Krieg. Pikant wird dies, weil sie wegen ihrer Tugenden ermordet werden: Kattrin wegen ihrer Nächstenliebe, Schweizerkas wegen seiner Redlichkeit, Eilif wegen seiner Tollkühnheit. Als Aussage ließe sich also formulieren: Der Krieg bringt keine Tugenden hervor, er bringt diejenigen, die Tugenden haben, schlichtweg um.

  • Wie wirkt in dem Stück die poetische Gerechtigkeit? Wer überlebt, wer hat Erfolg?

    Es überleben der Koch, der Feldprediger, Yvette – und die Courage. Die Courage überlebt, weil sie sich immer weiter dem Rhythmus des Krieges hingibt. Ihr letzter Auftritt hört mit dem Lied des Anfangs auf – es hat sich nichts geändert. Koch und Feldprediger überleben, weil sie Opportunisten sind. Sie rechnen kühl, können sich beliebt machen und haben zu einem nicht unerheblichen Teil Glück. Yvette hingegen ist die einzige, die wirklich Erfolg hat. Sie wird reiche Witwe. Und dies vor allem durch ihre Fähigkeit, Männer gezielt zu ehelichen.

  • Welche Figur kommt der klassischen Idee eines Helden oder einer Heldin am nächsten?

    Kattrin. Ihre Liebe zu Kindern bringt sie dazu, sich zu opfern. Ihre Tugend – also die Nächstenliebe – ist ihr Schicksal. Als sie davon hört, dass in der Stadt Halle Kinder sind, kann sie nicht widerstehen, klettert auf das Dach und versucht, die Stadt zu wecken. Sie opfert sich und rettet die Stadt. Damit hat Kattrin, die über das ganze Stück immer mehr an Kontur gewinnt, als einzige Figur in diesem Kriegsstück eine Heldentat vollbracht.

  • Wie wird der Krieg in dem Stück gezeigt?

    Eigentlich als abwesender. Der Krieg findet nie auf der Bühne statt. Immer ist die Schlacht schon vorbei oder kommt bloß in Erzählungen vor. Auch die großen Männer finden nur am Rande statt. Es ist eine realistische Schilderung des Lebens im Krieg, das sich ja in der Regel nicht an vorderster Front abspielt. Gleichzeitig erscheint der Krieg als eine unausweichliche Naturgewalt.

Veröffentlicht am 20. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 20. November 2023.