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Mutter Courage und ihre Kinder

8. Bild (1410-1421)

Zusammenfassung

Auch diese Szene spielt im Jahr 1632. An einem Sommermorgen erreicht die Nachricht vom Tod des Schwedenkönigs Gustav II. Adolf das Feldlager, in dem die Courage mit ihrem Tross weilt.

Über die Nachricht ist Mutter Courage nicht glücklich. Sie macht dem Feldprediger Vorwürfe, dass sie auf seinen Rat hin neue Vorräte gekauft habe. Einige Leute kommen hinzu und sagen, dass schon seit drei Wochen Frieden sei.

Der Koch kommt hinzu und begrüßt den Feldprediger und die Courage. Diese fragt zuerst nach Eilif, der ebenfalls beim Regiment war, von dem der Koch stammt. Dann setzen sich Courage und Koch nieder, um einen Schnaps zu trinken. Dabei berichtet die Courage, dass sie auf den Rat des Feldpredigers hin ihre Vorräte aufgestockt habe. Der Koch schimpft auf den Feldprediger, der indes nicht anwesend ist. Zwischen Courage und Koch entspinnt sich ein Dialog, der Züge eines Flirts trägt.

Der Feldprediger kommt zurück und trägt sein evangelisches Gewand. Als Koch und Feldprediger aufeinandertreffen, geraten sie aneinander. Der Koch wirft dem Prediger vor, sich ins Geschäft der Courage gemischt zu haben, weswegen diese nun ruiniert sei. Ein erwachsener Mensch gebe keine Ratschläge. Dann aber gibt der Koch der Courage doch einen Ratschlag: Sie solle schnell auf den Markt und alles verkaufen, bevor die Preise fallen. Die Courage macht sich bereit.

Koch und Prediger streiten darum, wer die Courage in Zukunft begleiten könnte. Dann aber kommt Yvette hinzu, die sehr viel dicker und gealtert ist. Sie erkennt den Koch als Pfeifen-Pieter, also als den Mann, der sie zuerst in die Prostitution getrieben hat. Mutter Courage hört Yvettes Schilderung, nimmt sie dann aber mit auf den Markt, weil sie davon ausgeht, Yvettes Kontakte könnten ihr hilfreich sein.

Der Feldprediger sieht sich nun in der privilegierten Lage, den Koch – Pfeifen-Pieter – in der Gunst der Courage ausgestochen zu haben. Doch der Koch erinnert ihn daran, dass er die Courage eine Hyäne genannt habe – sein Bleiben beim Tross also auch nicht mehr sicher sei.

Da aber wird Eilif von einigen Soldaten herbeigeführt. Auf die Frage, was mit ihm geschehen solle, erklären die Soldaten, Eilif sei beim Plündern angetroffen worden und habe dabei eine Bauersfrau umgebracht. Deswegen müsse er nun erschossen werden. Feldprediger und Koch kommen darin überein, weder der Courage noch Kattrin die Wahrheit zu erzählen. Eilif wird wieder fortgeschafft. Als Courage wiederkommt, wird ihr lediglich berichtet, Eilif habe wieder fortgemusst. Der Feldprediger ist derweil abgegangen.

Courage, Koch und Kattrin ziehen nun den Wagen weiter. Am Ende der Szene singt Mutter Courage das Lied »Von Ulm nach Metz, von Metz nach Mähren«.

Analyse

Nachdem im sechsten Bild der Feldhauptmann Tilly beerdigt worden war, wird in dieser Szene vom Tod des schwedischen Anführers berichtet. Dieser Umstand motiviert die Courage zu folgendem Ausruf: »Sagen Sie mir nicht, daß Friede ausgebrochen ist, wo ich eben neue Vorräte eingekauft hab« (1410). An der Formulierung »daß Friede ausgebrochen ist« zeigt sich eine paradoxale Verschiebung der Phrase vom Krieg, der ausbricht. Mit diesem rhetorischen Zug wird der Frieden als das eigentliche Übel gekennzeichnet, weil er die Geschäftsgrundlage der Mutter Courage gefährdet.

Allerdings revidiert die Courage dies wieder. Sie besinnt sich darauf, dass sie immerhin zwei von drei Kindern über den Krieg gebracht hätte (vgl. 1411). Sie hofft: »Jetzt werd ich meinen Eilif wiedersehn« (ebd.).

Statt Eilif kommt aber zunächst der Koch zum Wagen. An ihm fällt auf, dass er der einzige ist, der Mutter Courage mit ihrem Namen anspricht: »Ich hab Ihren Branntwein nicht vergessen, Frau Fierling« (1412). Außerdem weiß er von Eilif zu berichten, der ebenfalls zur Courage aufgebrochen sei.

Die kurze Freude darüber legt sich aber bald. Courage sagt zum Koch: »Koch, Sie treffen mich im Unglück. Ich bin ruiniert« (ebd.). Ihre tatsächliche, vom Frieden bedrohte ökonomische Lage holt die Courage wieder ein. Sie berichtet dem Koch vom Rat des Feldpredigers, der auf der Prämisse beruht hatte, der Krieg würde ewig weitergehen. Der Koch ergreift die Partei der Courage und sagt zum Feldprediger: »Ich hab überhaupt mit Ihnen noch ein Hühnchen zu rupfen, weil Sie die Dame zu einem Einkauf von überflüssigen Waren geraten haben unter der Angabe, der Krieg geht ewig« (1414).

Das Streitgespräch von Koch und Feldprediger entwickelt sich zu einem Kampf darüber, wer sich an den Tross der Courage anschließen darf. Dabei verliert der Feldprediger deutlich an Ansehen, weil er der Courage zuruft: »Sie sollten sich nicht am Frieden versündigen, Courage! Sie sind eine Hyäne des Schlachtfelds« (ebd.). Ganz richtig folgert der Koch nun: »Einen für mich Feldprediger« (1415). Der Feldprediger reagiert darauf zunächst mit einer Gewaltandrohung, gewinnt aber schließlich Einsicht in seine tatsächliche Lage und bittet den Koch: »Herr Lamb, ich muß Sie bitten, mich hier nicht hinauszudrängeln. Seit ich verlumpt bin, bin ich ein besserer Mensch geworden. Ich könnt ihnen nicht mehr predigen« (1416).

Spiegelbildlich zur Bloßstellung des Feldpredigers wird in der Szene aber auch der Koch vorgeführt. In dieser Szene wird schließlich enthüllt, dass eben dieser Koch der Pfeifen-Pieter ist, der Yvette Pottier – die inzwischen durch Verehelichung die Obristin Starhemberg geworden ist – ursprünglich in die Prostitution getrieben habe. Yvette tritt auf und stellt ihn bloß. Das verlagert wieder die Positionen innerhalb des Machtkampfs zwischen Koch und Feldprediger. Letzterer kommentiert: »Ich möcht unserer Unterhaltung das Wort zugrund legen: Gottes Mühlen mahlen langsam« (1418).

Kurze Zeit später kommt Eilif in Begleitung einiger Soldaten, die ihn dem Standgericht überantworten wollen. Ein Soldat schildert, was Eilif verbrochen hat: »Bei einem Bauern ist er eingebrochen. Die Frau ist hin« (1419). Brecht bemerkt dazu: »Er wird hingerichtet für eine der Missetaten, für die er im Kriege belohnt wurde« (Brecht 1964: 58).

Eilifs Fehler war, dass er den Frieden nicht in seinem Verhalten berücksichtigt hat. Dass er die Bauern überfallen hat, bezeichnet der Koch als Dummheit. Darauf Eilif: »Wenn ich dumm gewesen wär, dann wär ich verhungert, du Klugscheißer« (1419). Typisch brechtsch erscheint dabei die weitere Entwicklung des kurzen Dialogs. Der Koch: »Und weil du klug warst, kommt dir der Kopf herunter« (ebd.). Gegenüber dem gesellschaftlichen Verhängnis ist keine Tugend gefeit. Man mag klug sein oder redlich – beide Tugenden münden in den Untergang.

Veröffentlicht am 20. November 2023. Zuletzt aktualisiert am 20. November 2023.