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Faust I

Aufbau des Werkes

Faust I besteht aus drei Teilen. Der erste Teil besteht aus den Texten: »Zueignung« und dem »Vorspiel auf dem Theater«, die dem Beginn der eigentlichen Handlung vorangestellt sind sowie dem »Prolog im Himmel«, der einen der zwei Handlungsstränge einleitet. Mit ihm beginnt der zweite Teil, die Gelehrtentragödie, die von dem Gelehrten Faust handelt, der nach mehr strebt, als er aus eigenem Antrieb erreichen kann. Dieser Handlungsstrang zieht sich über das gesamte Werk »Faust I« und wird erst in »Faust II« abgeschlossen. Die Gretchentragödie bildet den zweiten Handlungsstrang und somit den dritten Teil, der allerdings mit der letzten Szene von »Faust I« endet. 

»Faust I« ist ein offenes Drama und weist nicht die klassische Einteilung in fünf Akte, mit einer klaren Einheit von Zeit, Handlung und Ort auf. Das Werk besteht aus 25 Szenen, denen drei einleitende Teile vorangestellt sind, und zwar »Zueignung«, »Vorspiel auf dem Theater« und »Prolog im Himmel«. Zudem enthält das Werk zwei Handlungsstränge, die verknüpft sind, aber an unterschiedlichen Stellen enden und beginnen. Hinzu kommt, dass es eine Vielzahl an Schauplätzen gibt, an denen wichtige Teile der Handlung spielen. Fast jede Szene spielt an einem anderen Ort, unter anderem in Fausts Studierzimmer, Gretchens Zimmer, dem Brunnen, im Kerker oder in Auerbachs Keller. Die Zeit ist ein weiteres wichtiges Merkmal. Die Handlung muss mindestens einen Zeitraum von neun Monaten umfassen, da Gretchen schwanger wird und das Kind zur Welt bringt. 

Ein klassisches Drama zeigt außerdem die Einteilung in Exposition (steigende Handlung), Höhepunkt und Peripetie (Wendepunkt), fallende Handlung mit retadierendem (verzögerndem) Moment und Katastrophe. Es war nicht Goethes Absicht, sein Drama streng nach diesen Vorgaben aufzubauen, da die Handlung nicht linear steigend und dann fallend verläuft. Die Ständeklausel nach Aristoteles, die der Tragödie Personen von höherem Stand und der Komödie Personen niederen Stands zuweist, wird ebenfalls in »Faust I« missachtet. Der Untertitel heißt »Der Tragödie Erster Teil«, aber wichtige Figuren wie Gretchen oder auch ihre Nachbarin Marthe gehören nicht dem höheren Stand, sondern dem Kleinbürgertum an (Leis, S. 39-41). 

Die Gretchentragödie hingegen ist, im Gegensatz zur Gelehrtentragödie, wie das klassische Drama nach Gustav Freytag aufgebaut. Sie weist eine Exposition auf, gefolgt von einem erregenden Moment, hinführend zum Höhepunkt, welcher zur fallenden Handlung und schließlich zur Katastrophe führt. Man kann die steigende Handlung erkennen, denn zuerst trifft sie auf Faust, denkt über diesen nach und erzählt ihrer Nachbarin von der Begegnung. Schließlich trifft sie Faust, verliebt sich und der Höhepunkt ist die gemeinsame Nacht, die schließlich zur Wende führt. Sie wird schwanger und Faust verlässt sie, wodurch sie sich gezwungen sieht, das Kind zu töten, da sie es alleine nicht aufziehen kann.

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. April 2023.