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Faust I

Szene 23: »Trüber Tag. Feld« und Szene 24: »Nacht, offen Feld«

Zusammenfassung

Die Szene »Trüber Tag. Feld« ist die einzige Szene, die nicht in Versform, sondern in Prosa verfasst wurde. Daher ist sie mit einer Seitenangabe und nicht mit Versen genannt.

Faust ist wütend und fühlt sich schuldig. Er wirft Mephisto vor, Gretchens Schicksal vor ihm geheim gehalten zu haben. Er gesteht sich selbst keine Schuld ein, sondern sieht Mephisto als Ursache für Gretchens Leid. Mephisto weist die Anschuldigungen von sich und macht Faust deutlich, dass dieser alleine die Schuld daran trage.

Daher befiehlt Faust Mephisto, ihn zu Gretchen zu bringen, damit er sie retten kann. Dafür reiten sie auf schwarzen Pferden in die Stadt.

Analyse

»Trüber Tag. Feld« ist die Szene, die am meisten den Zeitgeist des Sturm und Drang verdeutlicht. Sie ist geladen von Emotionen, die durch eine ausdrucksstarke Sprache und Interpunktion unterstrichen werden. Es werden viele Ausrufezeichen verwendet, da Faust häufig in Ausrufen spricht und nicht in vollständigen Sätzen. Das spiegelt sehr gut die herrschende Emotionalität wider, in der die Wörter aus ihm heraussprudeln. So beginnt die Szene mit den Ausrufen: »Im Elend! Verzweifelnd!« (S. 127).

Faust gibt Mephisto die Schuld an Gretchens Schicksal, da dieser es ihm angeblich verheimlicht habe: »Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht!« (ebd.). Faust ist außer sich vor Wut, denn er erfährt, dass sich seine Vision von Gretchen bewahrheitet hat. Sie sitzt inzwischen im Kerker, der Grund bleibt allerdings bis zur Schlussszene von Faust I unerwähnt.

Faust möchte Gretchen helfen, er hat ein schlechtes Gewissen und wirft Mephisto weiterhin vor, dass dieser Gretchen »hülflos verderben« (S. 128) lasse. Doch Mephisto lässt Gretchens Schicksal kalt, er sagt nur: »Sie ist die Erste nicht« (ebd.) und deutet damit bereits auf Gretchens Tat hin, die sie in den Kerker gebracht hat. Faust kann es nicht glauben: »Hund! abscheuliches Untier!« (ebd.), ihm wird erst jetzt das Ausmaß des Pakts deutlich. Er bereut es, sich auf Mephisto eingelassen zu haben und beginnt eine Rede an den Erdgeist »Großer herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele« (ebd.). Vor Mephisto hingegen »ekelt’s« (ebd.) ihn nun.

Indem Faust den Pakt bereut, gibt er indirekt seine Mitschuld an Gretchens Schicksal zu. Doch so ganz möchte er es nicht einsehen, weshalb Mephisto deutlich wird: »Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?« (S. 128). Mephisto macht Faust klar, dass er aktiv werden müsse, wenn er Gretchen retten möchte und Mephisto das nicht für ihn übernehmen werde. Faust handelt in dieser Szene voller Emotion und beschließt, Mephisto zu befehlen, ihn zu Gretchen zu bringen: »Führe mich hin, sag ich, und befreie sie!« (S. 129).

Die Szene ist geprägt von bildlicher Sprache, unterstützt durch Ausrufe, wodurch sie sehr kraftvoll und ausdrucksstark wirkt. Fausts Ausrufe »Fletsche deine gefräßigen Zähne«, »teuflische Augen« und »abscheuliches Untier« (S. 128) vermitteln ein gänzlich anderes Bild von dem, was Mephisto zuvor hervorgerufen hatte. Er war immer anständig gekleidet, gab sich als Student und Gelehrter aus und wird nun von Faust als ein abscheuliches Ungeheuer dargestellt, das Gretchen schon immer in Mephisto gesehen hat. Schließlich schlägt er Faust jedoch die Bitte, ihn zu Gretchen zu bringen, nicht aus. Mephisto erinnert ihn nochmal an seine Schuld am Tod von Gretchens Bruder, doch Faust lässt sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Mephisto weiß, dass er seine Wette mit Gott verliert, wenn Faust gefasst wird, gibt aber schließlich nach und verschafft ihm Zugang zu Gretchens Kerker (Diekhans, Völkl, S. 76 ff.).

Faust und Mephisto reiten in der Szene »Nacht, offen Feld« auf schwarzen Pferden zu Gretchen. Dabei stoßen sie auf eine Gruppe von Hexen, die den »Rabenstein« auf dem Richtplatz vorbereiten. Das soll maßgeblich darauf hindeuten, dass Gretchen bald hingerichtet wird und unterstreichen, dass es sehr wichtig ist, dass Faust ihr zur Hilfe kommt, weil sie sonst sterben wird. Die dynamischen Verben »weben«, »kochen«, »schaffen«, »schweben«, »beugen«, »streuen« und »weihen« (V. 4399-4401; 4403) unterstützen die Unruhe und Spannung der Szene (Diekhans, Völkl, S. 78)

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 25. Mai 2023.