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Faust I

Zitate und Textstellen

  • »Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!«
    – Faust, V. 940

    Dieses Zitat ist nach Fausts gescheitertem Selbstmordversuch einzuordnen. Er befindet sich in einer Krise und kann weder seine irdischen, materiellen Bedürfnisse noch sein Streben nach Wissen befriedigen. Als er die Glocken zu Ostern läuten hört, weiß er, dass er leben möchte und äußert das obige Zitat während seines Osterspaziergangs mit Wagner. Faust fühlt sich beflügelt durch das Getümmel der Menschen und das Aufblühen der Natur. Da der Winter gerade erst vorbei ist, blüht es noch nicht, doch für Faust stehen die vielen Menschen in ihren unterschiedlichen Gewändern für blühende Blumen. Die Natur zeigt sich und die Sonne scheint. Dort fühlt sich Faust wohl und zugehörig.

  • »Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust«
    – Faust, V. 1112

    Diese Aussage wird ebenfalls während des Osterspaziergangs von Faust geäußert. Er unterhält sich mit Wagner über Bildung und das Streben nach Wissen. Das Gefühl und die Erinnerung an seine Jugend, hervorgerufen durch das Osterfest, halten ihn zwar von seinem geplanten Selbstmord ab. Jedoch bemerkt er, dass er den Drang, mehr zu wissen und endlich eine Antwort auf den Sinn des Daseins des Menschen zu finden, nicht abstellen kann.

    Wagner ist zufrieden mit dem, was er aus Büchern lernen kann und hinterfragt das nicht. Faust hingegen strebt nach mehr. Zum einen nach der Erfüllung seiner irdischen Begehren und zum anderen, sich aus genau dieser Begrenztheit durch seinen Körper und sein menschliches Dasein befreien zu können, damit er endlich Höheres erfahren kann. Das sind die zwei Seelen, die in Fausts Brust wohnen und keinen Einklang finden.

  • »Bin weder Fräulein, weder schön,/Kann ungeleitet nach Hause gehn.«
    – Gretchen, V. 2607 f.

    Dies ist die erste Aussage, die Gretchen trifft, als sie auf den verjüngten Faust trifft. Er möchte sie nach Hause begleiten, da sie sein Interesse geweckt hat. Gretchen jedoch bildet sich wenig auf sich ein. Anhand der Kleidung und seiner Art schätzt sie Faust als gebildeten Mann ein. Zum anderen ist sie noch sehr jung und hat ihr ganzes bisheriges Leben damit verbracht, ihrer Mutter zu gehorchen, sich um die Familie zu kümmern und zur Kirche zu gehen.

    Es gehört sich nicht für ein Mädchen wie Gretchen, dieses Geleit anzunehmen. Sie gehört dem Kleinbürgertum an, d. h. ihr Leben ist vorbestimmt. Sie muss einen Ehemann finden, der sie finanziell versorgt. Ob Faust dafür geeignet ist, ist fraglich. Außerdem ist ihr bewusst, dass sie sich nicht mit einem Mann zeigen darf, da sonst Gerüchte entstehen, die ihr und ihrer Familie schaden.

  • »Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen/Und sie mit mir zugrunde gehn.«
    – Faust, V. 3364 f.

    Dieses Zitat stammt aus einem Gespräch von Mephisto und Faust. Faust hat sich in eine Höhle zurückgezogen, da er ein schlechtes Gewissen in Bezug auf Gretchen hat. Er weiß, dass er ihr schadet, indem er sich mit ihr trifft und sie sich in ihn verliebt. Mephisto redet allerdings auf ihn ein, um seine Wette zu gewinnen.

    Daher beschließt Faust, sein Streben nach Wissen vorerst aufzugeben und das geht nur, wenn er sich ablenkt und sich seinen Trieben hingibt. Dabei nimmt er keine Rücksicht auf Gretchen. Er hat zwar Gewissensbisse, diese verdrängt er jedoch und beschließt, seinem Verlangen nach Gretchen nachzugehen und sie zu verführen, unabhängig davon, welche gesellschaftlichen und sozialen Folgen das für sie hat.

  • »Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?«
    – Gretchen, V. 3415 (die bekannte »Gretchenfrage«)

    Dies ist wohl eines der meistzitierten Zitate aus dem Drama. Gretchen fragt Faust bei ihrem zweiten Treffen in Marthes Garten, ob er gläubig ist. Die Frage zeigt, wie ernst Gretchen die Beziehung zu Faust nimmt. Sie möchte ihn heiraten und eine Familie mit ihm haben. Dies geht allerdings nicht, wenn er ihren Glauben an Gott nicht teilt. Gretchen ist sehr gläubig und geht regelmäßig zur Beichte. Faust weicht der Frage aus und weiß, dass er ihr intellektuell überlegen ist. Doch Gretchen fragt beständig nach, bis Faust schließlich lügt und behauptet, dass er auch gläubig sei. Schließlich lässt sich Gretchen davon überzeugen, auch, weil sie sich bereits in ihn verliebt hat und an die gemeinsame Zukunft glauben will. Die Frage zeigt, dass Gretchen sich Gedanken macht und an die Zukunft denkt.

  • »Ich kann die Bande des Rächers nicht lösen, seine Riegel nicht öffnen - Rette sie! - Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte?«
    – Mephisto, S. 128

    Hierbei handelt es sich um eine Aussage von Mephisto, die in der einzigen Szene, die nicht in Versform geschrieben wurde, enthalten ist. Die Sprache in dieser Szene ist sehr ausdrucksstark und geprägt von den Motiven des Sturm und Drang. Faust und Mephisto waren gerade auf dem Brocken und haben die Walpurgisnacht gefeiert. Faust jedoch konnte seine Gedanken nicht von Gretchen lösen. Nachdem er eine Nacht mit ihr verbracht hat, hat er sie nicht mehr aufgesucht und ihr Schicksal ist ihm erst während der Walpurgisnacht bewusst geworden. Jetzt versucht er, Mephisto die Schuld an all dem zu geben. Mephisto kontert mit obigem Zitat.

    Er hat Faust die Mittel zur Verfügung gestellt, ein Mädchen wie Gretchen zu verführen, indem er ihn verjüngen ließ und Marthe, Gretchens Nachbarin, auf seine Seite zog. Doch was geschehen ist, hat Faust zu verantworten. Es waren seine Handlungen und das macht Mephisto damit deutlich. Er stelle sich ihrer Rettung nicht in den Weg, doch wenn Faust Gretchen retten möchte, müsse er selbst aktiv werden. Das spiegelt die gesamte Dynamik der Wette wider. Mephisto gibt ihm die Werkzeuge in die Hand, um sich seinen Trieben hinzugeben. Handeln muss Faust jedoch selbst und das tut er auch.

  • »Du fürchtest sie wieder zu sehen!«
    – Faust, V. 4410

    Faust spricht hier mit sich selbst, als er Gretchen aus dem Kerker holen möchte. Er ist sich seiner Schuld an ihrer Situation bewusst. Er weiß, dass er von Beginn an egoistisch gehandelt hat und Gretchen vom rechten Weg abbrachte, obwohl diese ehrliche Absichten hatte. Daher ist ihm unwohl und er hat Angst, ihr gegenüberzutreten, besonders da er weiß, dass sie aufgrund ihrer ausweglosen Lage sogar das gemeinsame Kind ermordet hat.

    Dieses Zitat drückt Selbstmitleid aus und zeigt, dass er sich schuldig fühlt. Andererseits geht es ihm nicht um Gretchen, sondern darum, sein Gewissen von der Last der Schuld zu befreien. Er denkt nicht darüber nach, dass eine Flucht Gretchen nicht von ihren Sünden vor Gott befreit, da er selbst nicht an Gott glaubt.

  • »Da ward ich ein schönes Waldvögelein;/Fliege fort, fliege fort!«
    – Gretchen, V. 4419 f.

    Hier spricht Gretchen mit sich selbst und Faust hört zu. Sie ist im Kerker, weil sie ihr Kind getötet hat. Nachdem Faust nicht wiederkam, hat sie keinen anderen Ausweg gesehen, als ihr Kind zu töten. Nun spricht sie sich ihr Leid von der Seele und wünscht sich, ein schöner Vogel zu sein. Dies steht einerseits dafür, dass sie frei sein möchte. Aber vielmehr drückt es aus, dass sie befreit von ihren Sünden leben möchte. Gretchen sucht ihren Halt im Glauben. Das ist alles, was ihr noch geblieben ist, und sie glaubt an die Rettung durch Gott. Für Gretchen zählt nur, dass ihre Sünden vor Gott vergeben werden, ob nun im Leben oder im Tod. Beides ist für sie Freiheit.

  • »Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.«
    – Gretchen, V. 4544

    Diese Aussage Gretchens unterstützt die Analyse des vorangegangenen Zitats. Trotz Fausts Versuch, Gretchen zur Flucht zu überreden, weigert sich diese, da eine Flucht keine Erlösung oder Rettung für sie bedeutet. Wenn sie mit Faust und Mephisto ginge, dann würde sie ein Leben in Sünde leben, ohne die Möglichkeit auf Vergebung. Das versucht sie, dem nicht gläubigen Faust zu erklären.

    Faust versteht sie jedoch nicht und denkt, dass Gretchen verwirrt ist. Er nimmt sie zu keiner Zeit ernst und spricht sie immer mit »Liebchen« (S. 92, V. 4498) oder »Puppe« (V. 3476) an, selbst im Kerker. Gretchen hingegen sieht endlich klar und steht für sich und ihre Überzeugungen bzw. Ideale ein. Für sie gibt es keine Rettung durch Flucht oder Fallenlassen der Anklage. Die einzige Rettung wäre die durch Gott, die sie in ihren Augen nicht verdient hat, auf die sie aber trotzdem hofft.

  • »Heinrich! Mir graut’s vor dir.«
    – Gretchen, V. 4610

    Als Gretchen Faust erkennt, möchte sie, dass er sie küsst. Faust hingegen ist nur daran interessiert, Gretchen aus dem Kerker zu holen, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen und nicht indirekt an ihrem Tod schuld zu sein. Gretchen merkt, dass sich seine Gefühle von Liebe zu Pflichtgefühl geändert haben und sie spürt keine Nähe mehr zu ihm. Sie erzählt nochmal, welch schlechte Energie sie bei Mephisto gespürt habe, und diese sieht sie nun auch in Faust. Sie sieht nicht mehr den Mann vor sich, der ihr Geleit anbot, sondern jemanden, der ihr fremd ist und der sie von der Erlösung durch Gott abhält. Schließlich lässt Faust Gretchen zurück, um nicht selbst in Schwierigkeiten zu kommen und flieht mit Mephisto. Gretchen wird von Gott erhört und gerettet.

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. April 2023.