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Faust I

Szene 5: »Auerbachs Keller in Leipzig« und Szene 6: »Hexenküche«

Zusammenfassung

Der erste Ort, an dem Mephisto und Faust ihre Reise unterbrechen, ist Auerbachs Keller in Leipzig. In der Bar unterhalten sich einige Leute, sie singen und haben Spaß. Als Mephisto Auerbachs Keller betritt, zeigt er sich freundlich. Faust macht deutlich, dass er gehen möchte, da es ihm in der Umgebung nicht gefällt. Mephisto beginnt ein Lied zu singen und die anderen Gäste stimmen mit ein. Schließlich fragt Mephisto sie, was sie trinken möchten und bohrt dafür Löcher in einen Tisch. Aus diesem kommt schließlich Wein, wird jedoch zu Feuer, sobald er verschüttet wird. Mephisto erzürnt die Gäste durch das Feuer und sie fordern ihn zum Kampf heraus. Er wendet Magie an und flieht auf einem Weinfass zusammen mit Faust aus dem Keller.

Da Faust seinen Trieben nachgehen möchte, beschließt Mephisto in der Szene »Hexenküche«, eine Hexe aufzusuchen, um Faust zu verjüngen. Dieser ist Mitte 50 und möchte um 30 Jahre verjüngt werden. Die Hexe ist nicht zu Hause, weshalb Mephisto beginnt, sich mit ihren Tieren zu unterhalten. Die beiden betreten das Haus. Während sich Mephisto mit den Tieren beschäftigt, erblickt Faust das Bild der Helena in einem Spiegel und kann sich nicht mehr davon lösen. Die Hexe kehrt nach Hause zurück. Sie erkennt Mephisto zunächst nicht als den Teufel. Als er ihr sagt, wer er ist, zeigt sich die Hexe ehrfürchtig und fragt, was sein Anliegen sei. Sie hat einen Verjüngungstrank für Faust und trifft alle Vorkehrungen, damit der Trank Wirkung zeigt. Danach verlassen die beiden die Hexenküche und Mephisto ist siegessicher, dass Faust sich nun verlieben wird und er seine Wette gewinnt.

Analyse

Die Szene »Auerbachs Keller in Leipzig« stellt den Übergang von Wissen zur Verlockung dar. Das Studierzimmer steht für das Streben nach Wissen, die Wirtschaft für den Konsum und die Ablenkung vom Leben. Faust fühlt sich in der Umgebung der trinkenden Studenten nicht wohl. Goethe spielt mit dieser Szene hauptsächlich auf das zeitgenössische politische Geschehen an.

Zu Beginn der Szene wird über den möglichen Zerfall des Heiligen Römischen Reiches spekuliert. Wie die Geschichte zeigt, wird die Organisationsform des Deutschen Reichs 1806 wirklich durch Napoleon zerschlagen. Das Gespräch der Studenten ist demnach als Anspielung auf geschichtliche Ereignisse zu verstehen. Es werden zwei Dinge angesprochen: Die überholten Machtstrukturen und die Freiheitsdebatte, als deren Auslöser die Französische Revolution (1789-1799) zählt.

In dieser Szene wird ebenfalls das Medium des Gesangs genutzt, vorherrschend, um politische Themen anzusprechen. Das Rattenlied (vgl. V. 2126-2149) ist als Kirchenkritik zu verstehen. »Doktor Luther« wird stellvertretend für alle Klosterleute genannt und wird als jemand dargestellt, der auf Kosten Anderer lebt. Diese Sichtweise ist im Sinne der Aufklärung.

Schließlich beginnt Mephisto zu singen und mischt sich unter die Studenten. Sein Lied widmet er den absolutistischen Fürstenhöfen: Man müsse nichts können oder jemand sein, wenn man die Gunst des Herrschers des Hofes, an dem man sich befindet, genießt. Die Ständekritik wird in beiden Liedern deutlich.

Im weiteren Verlauf der Szene will Mephisto sein Menschenbild verdeutlichen. Er hält nicht viel von den Menschen und ist sich sicher, dies anhand des Konsums zu veranschaulichen. Er zaubert ihnen Wein und als die Studenten in den Genuss von gutem Geschmack gekommen sind, werden sie gierig und zeigen keinerlei Manieren mehr. Mephisto möchte vor Augen führen, wie das gemeine Volk handeln würde, wenn genug Wohlstand für alle Stände da wäre und sich diese Grenzen auflösen würden. Wie er es vorausgesagt hat, sind die Menschen mit zu großer Freiheit überfordert. Nachdem der Wein, sobald er verschüttet wird und den Boden berührt, wirklich anfängt zu brennen, richten sich die Trinkenden gegen Mephisto. Sie bedrohen ihn mit dem Messer. Dieser bedient sich eines Zaubers und verschwindet mit Faust aus der Wirtschaft. Goethe kritisiert mit dieser Szene stark die Vorgehensweise der Jakobiner während der Französischen Revolution, die für ihn ein sehr einschneidendes politisches Ereignis war (Diekhans, Völkl, S. 42 f.).

Faust und Mephisto begeben sich in der nächsten Szene zum Haus einer befreundeten Hexe. Dort soll Faust verjüngt werden, um von seinem Streben abgelenkt zu werden und die Freuden der Jugend zu genießen. Die Szene spielt nun abseits der Sphären der organisierten Studierstube Fausts. Durch den Verlust der Ordnung verschwimmen die Grenzen zwischen Mensch und Tier. Die Tiere der Hexe verhalten sich wie Menschen, die Studenten hingegen mit zunehmendem Alkoholkonsum wie Tiere.

Die Szene »Hexenküche« hat drei wesentliche Handlungsstränge, der Fokus wird hier auf Fausts Verjüngung gelegt. Diese leitet den Übergang zur Gretchentragödie ein. Bis die Hexe nach Hause kommt, macht sich Mephisto einen Spaß daraus, das Königtum zu parodieren. Er spielt sich als König der Meerkatzen (Affen) auf und amüsiert sich köstlich. Faust verliert sich währenddessen in dem Spiegelbild der schönen Helena, die im Spiegel der Hexe erscheint. Dies ist eine Vorausdeutung auf Gretchen, auf die er nach der Verjüngung treffen wird: »Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild?« (V. 2429 f.). Er kann sich nicht lösen: »Weh mir! ich werde hier schier verrückt.« (V. 2456) Eine selbige Wirkung hat Gretchen später auf Faust, weshalb er sie erobern möchte.

Als die Hexe ihr Haus betritt, ist sie überrascht, Faust und Mephisto vorzufinden. Sie erkennt Mephisto nicht sofort, doch als ihr bewusst wird, wer er ist, erkennt sie ihn als »Herrn und Meister« (V. 2482) an. Schließlich wird Faust auf Mephistos Drängen verjüngt. In seinem nun jungen Körper kann er sich auf die Suche nach einem Ebenbild der Frau machen, die er im Spiegel gesehen hat. Er sieht nun darin die Erfüllung, die er sich von der Wette versprochen hat. Mephisto möchte daher keine Zeit verlieren und die Stimmung Fausts nutzen, um sein Begehren auf die sexuelle Ebene zu lenken, die durch eine Frau erfüllt werden kann (Diekhans, Völkl, S. 44-47).

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. April 2023.