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Faust I

Historischer Hintergrund und Epoche

Goethe schrieb fast sein gesamtes Leben an »Faust«. Er begann mit Anfang 20 und beendete sein Werk nur einige Jahre vor seinem Tod. Daher spiegelt es seinen Werdegang besser wider als jedes seiner anderen Werke. 

Goethe hat sich für sein Theaterstück vermutlich auf die Geschichte des Georgius Faust bezogen, der um 1480-1540 gelebt haben soll. Um diesen ranken sich einige Geschichten. Er reiste wohl als Alchemist durch das Land und hat mit Quacksalberei (nicht korrekt angewandter Medizin) sein Geld verdient. Er verursachte dadurch Schaden und musste deshalb immer weiterreisen. Eine weitere Theorie ist, dass er als Magier und Wahrsager umher zog. Er soll zusammen mit einem schwarzen Hund gereist und generell der Unterwelt nicht abgeneigt gewesen sein. Den Namen Faust oder auch Faustus gab er sich vermutlich selbst. Er ist abgeleitet vom lat. »faustus«, was »der Glückliche« bedeutet und zu Lebzeiten des historischen Faust ein Gelehrtenname war. Dieser war im Zeitalter des Humanismus und der Reformation verbreitet und drückte einen gewissen Stand der Bildung aus (Schmidt, S. 11). 

Ein weiteres Ereignis, das Goethe dazu veranlasste, sein Theaterstück zu schreiben, war der Gerichtsprozess um Susanna Margaretha Brandt. Diese wurde wegen Kindsmord zum Tode verurteilt und behauptete, der Teufel selbst hätte sie dazu gebracht, ihr Kind zu töten. Goethe arbeitete sich in den Fall ein und es ist anzunehmen, dass er daraufhin die Kerkerszene schrieb, die ein zentraler Punkt im gesamten Werk ist (Diekhans, Johannes, Völkl, Michael, S. 99-105). 

Vorwegzunehmen ist, dass sich Goethes »Faust I« nicht eindeutig in eine literarische Epoche einordnen lässt. Im Folgenden werden einige Epochen genannt und welche Elemente dieser Epochen in »Faust I« enthalten sind. 

Die Geschichte um den historischen Faust fand großen Anklang während der Epoche des Sturm und Drang. In dieser Epoche ging es darum, sich aus den starren Konventionen der Vätergeneration zu lösen. Die Sprache war sehr emotional und ausdrucksstark, was sich auch in Goethes »Faust I« widerspiegelt. Faust spricht gerade in der Szene »Trüber Tag« sehr ausdrucksstark, mit häufigen Ausrufen. Dies erinnert sehr stark an den Zeitgeist des Sturm und Drang. Des Weiteren ist auch seine Beziehung mit Gretchen anfangs sehr leidenschaftlich und von großen Gefühlen geprägt. Die Verwendung des Knittelvers (4-hebiger Jambus mit freier Reimgestaltung) wurde im Sturm und Drang ebenfalls wieder aufgegriffen und ist somit auch ein Indiz für diese Epoche. Auch im Aufbau des Dramas findet sich diese Epoche wieder.

Es handelt sich bei »Faust I« nicht um einen klassischen Dramenaufbau, da keine Akte vorhanden sind und sich kein Rückgriff auf den Aristotelischen Dramenaufbau mit der klassischen Einteilung von Handlung, Ort und Zeit feststellen lässt. Die Handlung ist vielschichtig und es gibt mehr als nur einen Strang. Alleine das Vorhandensein zweier Handlungsstränge (die Gretchentragödie und die Gelehrtentragödie), die zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen und ein Ende finden, sind entgegen dem klassischen Aufbau. Die Handlung spielt sich an vielen verschiedenen Orten ab und auch der Zeitraum ist um einiges länger als der eines klassischen Dramas. Da Gretchen schwanger wird und das Kind zur Welt bringt, muss dieser Handlungsstrang somit mindestens einen Zeitraum von neun Monaten umfassen. Auch komödiantische Elemente, wie beispielsweise die Szenen »Auerbachs Keller« oder »Walpurgisnacht«, sind Elemente des Sturm und Drang. 

Im Werk sind zudem Elemente der Weimarer Klassik bzw. der Erziehungsgedanke Schillers und Goethes vertreten. Durch die Ereignisse der französischen Revolution verspürten beide den Drang, die Menschen zu Harmonie und Humanismus gemäß den antiken Vorbildern zu erziehen. Dies verkörpert der Charakter Faust, der trotz des Einflusses durch Mephisto seinem Streben nach mehr Wissen treu bleibt und somit Gott bestätigt. Auch Gretchen zeigt Elemente der Weimarer Klassik in ihrem Charakter. Ihre innere Harmonie und die Annahme ihrer Schuld bzw. das Eingestehen der Schuld dienen zur Erziehung der Menschen. Die tragischen Elemente des Werks sind auch ein Indiz für die Zuordnung in die Weimarer Klassik. Zu den tragischen Elementen des Werks zählen Fausts Scheitern an seinen eigenen Grenzen und Gretchens sündhaftes Verhalten aus Liebe. 

In »Faust I«  sind ebenfalls Elemente aus der Epoche der Romantik zu finden. Dies zeigt sich in der Darstellung des Weltbilds, der großen Verbundenheit zum Glauben und der Faszination für Magie und Hexen. Faust glaubt, nur Magie könne ihn aus seiner Misere erlösen und beschwört den Erdgeist herauf. Er selbst bedient sich der Magie. Faust wird zudem durch den Trank der Hexe verjüngt und feiert mit Mephisto die Walpurgisnacht. In der Walpurgisnacht treffen sich die Hexen auf dem Brocken und feiern gemeinsam. Gretchen singend, am Spinnrad, spiegelt die Sehnsucht und die Eintönigkeit ihres Lebens wider. Ein Motiv, das sehr häufig Verwendung in der Romantik findet.

Veröffentlicht am 18. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 18. April 2023.