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Katz und Maus

Figuren

Figurenkonstellation

Katz und Maus – Figurenkonstellation
  • Pilenz

    Pilenz ist der Ich-Erzähler von Katz und Maus und ein Bewunderer Mahlkes. In der Novelle erfährt man, dass er zum Erzählzeitpunkt »Sekretär im Kolpinghaus« (86) ist und sich nächtelang mit dem dortigen Pater Alban über Fragen des Glaubens unterhält. Aufgewachsen ist Pilenz in Danzig-Langfuhr, wie auch Joachim Mahlke.

    Das Besondere am Erzähler Pilenz ist, dass er ein ambivalentes Verhältnis gegenüber Joachim Mahlke hat. Er empfindet ihn nicht als schön (32), ist aber doch erotisch von ihm angezogen (35).

    Pilenz ist es wohl auch, der Mahlke die Katze auf den Adamsapfel setzt (6). Beziehungsweise lässt Pilenz diese Möglichkeit offen; gibt jedoch zu, dass er es hätte sein können. Ob aber überhaupt jemand die Katze auf Mahlke gesetzt hat oder die Katze ihn von alleine angefallen hat, wird ebenfalls immer wieder thematisiert (121), aber nie letztgültig entschieden. Schröder schreibt dazu: »Pilenz berichtet, wie er dem Helden der Novelle, Joachim Mahlke, eine in der Nähe herumstreunende Katze an dessen überdimensionalen Adamsapfel setzt, weil er mit diesem plötzlich die Assoziation einer Maus verbindet« (Schröder, 1986: 74). Und weiter: »Mahlke versucht von nun an, seinen abnormen Adamsapfel durch verschiedene Aktionen zu kaschieren« (ebd.). Pilenz ist also nicht der Held der Geschichte, dafür aber derjenige, der die Handlung in Gang setzt.

    Pilenz und der Freundeskreis stehen in einer eher ambivalenten Beziehung zu Mahlke, bewundern ihn, finden ihn aber auch »widerlich und zum Weggucken« (67). Pilenz sticht jedoch hervor, da er Gewissensbisse gegenüber Mahlke zu haben scheint (86). Diese sind nicht ganz unbegründet, schließlich lügt Pilenz Mahlke mehrfach an (141) und wirft sogar den Dosenöffner, den Mahlke zum Überleben braucht, ins Wasser (148). Pilenz ist auch der einzige Mensch, der weiß, wo Mahlke sich verstecken wollte. Er hat aber nicht nachgeprüft, ob Mahlke das Versteck überhaupt erreicht hat oder bei dem Versuch ertrunken ist. Man könnte Pilenz eine gewisse Mitschuld an Mahlkes Ende attestieren.

    Durch die sich teils widersprechenden Behauptungen hinsichtlich der Katze, die Mahlkes Adamsapfel angriff, wird deutlich, dass es sich bei Pilenz um einen unzuverlässigen Erzähler handelt. Prinzipiell kann also jede Aussage des Erzählers angezweifelt werden. Die Unzuverlässigkeit von Pilenz lässt sich ebenfalls mit dessen vermeintlicher Schuld am Schicksal Mahlkes erklären. So erzählt Pilenz Pater Alban von »Mahlke und Mahlkes Jungfrau, von Mahlkes Gurgel und Mahlkes Tante [...], von Katz und Maus und mea culpa« (86). Die Formulierung mea culpa (lateinisch für durch meine Schuld) zeigt, dass Pilenz sich die Schuld durchaus eingesteht.

    Pilenz entstammt einer recht problematischen Familie. Vater und großer Bruder sind als Soldaten im Krieg. Der Bruder Klaus stirbt an der Ostfront (95). Daraufhin gestaltet die Mutter der beiden »etwas Altarähnliches« (114) für Klaus. Der jüngere Pilenz empfindet Eifersucht für den Altar, fühlt sich »benachteiligt und [kaut] oft an den Fingernägeln« (114f), wenn er mit dem Altar allein ist. Daraus erwächst auch Aggression gegenüber dem Schrein (115).

    Die Mutter unterhält wechselnde sexuelle Beziehungen, während der Vater im Krieg ist. Genannt werden ein »Bauführer der Organisation Todt« (114) und der »Oberleutnant Stiewe« (ebd.), schließlich gibt es noch einen »Herrn vom Werkschutz« (149). Die Beziehung zwischen dem Erzähler Pilenz und seiner Mutter ist nicht von Zärtlichkeit geprägt – im Gegenteil.

    Überhaupt hat Pilenz seine Probleme mit weiblichen Figuren. »Ich schickte einen Zettel mit weißnichtwasdrauf entweder an Vera Plötz oder an Hildchen Matull, bekam aber weder noch Antwort« (69). An anderer Stelle heißt es: »Sie flüsterten von beiden Seiten [...], kicherten flüsterten kicherten. Ich hatte niemanden zum Flüstern« (107). Und später: »[Wir] wälzten uns [...] mehr oder weniger geschickt mit immer denselben Mädchen und Schwestern der Mädchen in den Stranddisteln der Dünen; nur ich ging leer aus« (109). In diesem Zusammenhang ist die angedeutete Homosexualität interessant. Pilenz' Fokus auf Mahlkes großes Geschlechtsteil mag sich von daher erklären. Letztlich lässt sich aber nicht sagen, ob Pilenz tatsächlich homosexuell ist. Er bezeichnet Homosexualität als »verkehrt herum« sein (37). Diese abwertende Bezeichnung könnte allerdings als Ausdruck einer Kompensation verstanden werden. Pilenz könnte also uneingestandener Homosexueller sein.

    Mehr oder weniger nebenbei wird Pilenz dann auch noch als Missbrauchsopfer gezeigt (96). Pilenz schreibt dazu: »Ich machte mir nicht viel aus dem versuchten Griff [...]; deshalb kein Wort mehr über gelegentliche und harmlose, im Grunde nur meine katholische Seele suchende Handgriffe« (ebd.).

    Das Wichtigste an Pilenz bleibt aber seine Unzuverlässigkeit. Obwohl der Erzähler so deutlich hervortritt und Teil der Handlung ist, bleibt er durch seine Irrtümer und vermeintlichen Lügen rätselhaft. Dadurch gewinnt die Novelle an Komplexität und lässt mehrere Deutungsansätze zu.

  • Mahlke

    Joachim Mahlke stammt aus Danzig-Langfuhr und tritt erstmalig auf als (wahrscheinlich) Pilenz ihm die Katze auf den Adamsapfel setzt (5). Mahlke wird bereits im ersten Satz der Novelle namentlich erwähnt und ist klar die Hauptperson des Erzählten.

    Mahlke ist zunächst ein gerade vierzehnjähriger Junge, der »weder schwimmen noch radfahren« (7) kann. Auch lässt er noch »jenen Adamsapfel vermissen« (8), der Auslöser der Handlung wird.

    Später wird Mahlke alle anderen in sportlichen Leistungen übertreffen, wobei auffällt, dass er nicht schwitzt (11). Mahlke gelingt es bald »in mieser Haltung zwei Kniewellen mehr zu drehen, als Hotten Sonntag, unser bester Turner, schaffte« (ebd.). Auch im Tauchen übertrifft er alle (25). Auffällig ist, dass er »jenen fatalen Knorpel« (9), also den Adamsapfel, unter wechselnden Gegenständen zu verstecken sucht. »Ein Schraubenzieher hing ihm unter der Gurgel und lenkte von seiner Gurgel ab« (9). Später versucht es Mahlke mit »Puscheln« (51) und einer Krawatte (79). Um seinen Hals hängt aber auch »ein silbernes Kettchen, dem etwas silbern katholisches anhing: die Jungfrau« (11). Mahlkes Frömmigkeit der Jungfrau Maria gegenüber wird immer wieder zum Thema gemacht (vgl. die Kapitelzusammenfassungen).

    Seinen Adamsapfel zu verstecken gelingt Mahlke aber erst mit dem Orden, den er dem Kapitänleutnant stiehlt: »Es hatte der Adamsapfel [...] ein genaues Gegengewicht gefunden. Still schlief er unter der Haut« (88). Der Effekt des Ordens motiviert Mahlke dazu, sich als Soldat auszuzeichnen. So wird ihm selbst später der Orden, das Ritterkreuz des eisernen Kreuzes, verliehen (123).
    Dem Erzähler fällt es schwer, Mahlke zu beschreiben. So nimmt er eine Karikatur Mahlkes, die ein Mitschüler auf die Tafel gezeichnet hat, als Anlass zur Schilderung des Äußeren Mahlkes (39).

    Auffallend ist aber nicht nur der Adamsapfel, sondern auch Mahlkes Geschlechtsteil. Dieses verschafft Mahlke einigen Erfolg bei Frauen – etwa bei Tulla Pokriefke (34ff) und später bei der »Frau vom Oberfeldmeister« (117). Gleichzeitig zeigt sich Mahlke nicht sonderlich interessiert am weiblichen Geschlecht (37).

    Mahlke lebt als Halbwaise mit seiner Mutter und Tante zusammen. Ob er verwöhnt wird, lässt sich nicht genau sagen, wenigstens aber hat er »Taschengeld [...] genug« (10). Später wird deutlich, dass Mahlke in seinem Elternhaus die dominierende Person ist. Dies bringt der Erzähler mit dem Tod des Vaters in Verbindung: »Beide Frauen gehorchten ihm oder jenem verstorbenen Lokomotivführer« (104).

    Auffällig an Mahlke ist, dass er, obwohl Kriegsheld, schließlich fahnenflüchtig wird. Wahrscheinlich ist dies auf die Zurückweisung als Redner durch den Schuldirektor Klohse zurückzuführen. Trotz seiner Erfolge ist Mahlke immer noch kein Held. So wie er am Barren die Bewegungen ohne Eleganz ausführt, so scheint es auch mit seinen Heldentaten im Krieg zu sein. Mahlke sucht die Bewunderung: »Beifall tat ihm gut und besänftigte seinen Hüpfer am Hals« (25). Tatsächlich macht er auch Eindruck auf Menschen, doch wie der Freundeskreis, so zeigen sich die Menschen von Mahlke eigenartig abgestoßen. Mahlkes Versuche scheitern also.

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Mahlke eine recht traurige Figur ist, die lediglich versucht, dazuzugehören. Das zeigt sich auch an seinem Betteln, mit dem Freundeskreis schwimmen gehen zu dürfen (8f). Selbst sein Berufswunsch als Clown (20) deutet auf die Suche nach Beifall hin. Dass er trotz seiner unbestrittenen Erfolge schließlich fahnenflüchtig wird und vielleicht sogar ertrinkt, ist die logische Konsequenz eines von Anfang an zum Scheitern verurteilten Menschen. Dass Mahlke seinen Adamsapfel zu verbergen sucht, zeigt, wie sehr er hinsichtlich seiner Identität verunsichert ist. Hier kann der Adamsapfel durchaus in den religiösen Kontext gerückt werden. Adams Apfel – das kann sich auf den Apfel vom Baum der Erkenntnis beziehen. Mahlkes Adamsapfel deutet also auf die bzw. eine Ursünde hin. Es ist gut möglich, dass Mahlke dadurch, dass er seine Sünde zu verstecken sucht, erst richtig schuldig wird und schließlich scheitern muss. So gewinnt das Scheitern Mahlkes eine existenzielle Dimension.

  • Hotten Sonntag

    Hotten Sonntag ist eine Nebenfigur. Bevor Mahlke schwimmen gelernt hat, war Hotten der sportlichste Junge im Freundeskreis. Er war der beste Schwimmer und der beste Turner. Diesen Rang hat Mahlke ihm allerdings abgelaufen. Dennoch ist Hotten ihm hinsichtlich der ästhetischen Ausführung sportlicher Übungen immer noch überlegen.

    Nachdem Tulla bei Mahlke keinen Erfolg hat, hält sie sich an Hotten Sonntag (84). Der ursprüngliche Primus wird durch Mahlke zur Nummer Zwei degradiert. Dennoch bleibt Hotten ein dominanter, selbstsicherer Junge, der sich durch den Einsatz für seine Freunde auszeichnet (84). Sein Gesicht allerdings ist dem Erzähler entfallen (95).

  • Pater Alban

    Wie Pilenz Auslöser der Handlung ist, ist Pater Alban Auslöser des Erzählens. Bei Pater Alban handelt es sich um einen »aufgeschlossenen, halbwegs gläubigen Franziskaner« (86), der im Düsseldorfer Kolpinghaus den Vorsitz zu führen scheint. Pilenz ist dort angestellter Sekretär und diskutiert nächtelang mit Alban. Während dieser Gespräche wird Pater Alban zum Auslöser des Erzählens indem er Pilenz »[ermuntert], von Katz und Maus zu berichten« (106). Er sagt zu Pilenz: »Setzen sie sich einfach hin, lieber Pilenz, und schreiben Sie drauflos. Sie verfügen doch [...] über eine eigenwillige Feder: [...] schreiben Sie sich frei – der Herrgott versah sie nicht ohne Bedacht mit Talenten« (ebd.). Durch diese Anrede wird deutlich, wie sehr die Novelle auch als Beichte gelesen werden kann. Nach Pater Alban hat Pilenz geradezu die Pflicht zu berichten, schließlich müsse sein Talent doch einen Sinn haben.

  • Hochwürden Gusewski

    Es ist auffällig, dass ausgerechnet das Aussehen von Hochwürden Gusewski dem Erzähler so gut in Erinnerung geblieben ist: »So wenig ich mich erinnere, aus welchen Einzelheiten sich Hotten Sonntags oder Winters Gesicht zusammensetzte, Gusewski hatte dichtes drahtiges krausschwarzes, nur vereinzelt eisgraues Haar auf schuppiger, die Soutane zeichnender Kopfhaut« (95). Gusewski weist eine Tonsur auf (ebd.) und riecht nach »Birkenhaarwasser und Palmolivseife« (ebd.). Die Schilderung der Orientzigaretten, die Gusewski durch eine »komplizierte geschliffene Bernsteinspitze« (96) raucht, zeichnet den Geistlichen als effeminierten Mann. Trotz des Missbrauchs (ebd.) betont Pilenz: »Noch heute erinnere ich mich seiner mit spöttischen Wohlwollen« (ebd.). Pilenz verschweigt aber nicht, dass er den Antrag auf Namensänderung, den Gusewski »schon Anfang vierzig« (ebd.) stellte, missbilligt. Trotz der erfolgten Namensänderung, die aus Hochwürden Gusewski »Hochwürden Gusewing« (ebd.) machte, nennt Pilenz den Geistlichen weiter bei seinem ursprünglichen Namen. Auch das könnte ein Hinweis auf eine gewisse Unausweichlichkeit von Schuld oder Sünde sein – die Bezeichnung mag geändert werden, das Bezeichnete bleibt gleich.

    Aber Hochwürden Gusewski ist nicht nur ein Pädophiler, sondern erweist sich auch als interessiert an seiner Gemeinde, so äußert er an mehreren Stellen Bedenken über Mahlkes Verhalten. »Er galt als fortschrittlich und spielte mit den Ministranten, auch mit den Erstkommunizierenden Tischtennis in der Sakristei« (ebd.).

  • Tulla Pokriefke

    Tulla Pokriefke ist eine der interessantesten Figuren im Werk von Günter Grass. Sie taucht nicht nur im Roman vor Katz und Maus auf (also in der Blechtrommel), sondern ebenfalls im anschließenden Roman Hundejahre und schließlich, vierzig Jahre später, in der Novelle Im Krebsgang. Während Tulla in den späteren Werken zu einer Hauptfigur aufsteigt, ist sie in Katz und Maus noch relativ farblos.

    Zu ihrem Äußeren bemerkt der Erzähler Pilenz: »Tullas Gesicht wäre mit einer Punkt Komma Strich Zeichnung wiederzugeben« (33). Sie riecht »nach Tischlerleim, weil ihr Vater in der Tischlerei ihres Onkels mit Leim zu tun hatte« (ebd.). Und zusammenfassend: »Sie bestand aus Haut, Knochen und Neugierde« (ebd.). Diese Neugierde ist es auch, die Tulla dazu veranlasst, die Jungen beim onanieren zu beobachten und mit dem Ejakulat auf dem Deck des Minensuchboots zu spielen »bis es rostrot schäumte« (ebd.). Tulla fordert die Jungs aktiv dazu auf, bettelt geradezu (34). Als sie Mahlke schließlich durch Provokation dazu ermutigt, auch vor ihr zu onanieren, ist sie verblüfft von der Größe seines Penis': »Tulla Pokriefke, die er wohl am direktesten beeindruckt hatte, lief ihm eine Zeitlang nach« (36). Daraus entwickelt sich jedoch nichts. Später ist Tulla mit Hotten Sonntag zusammen (84) und treibt sich im weiteren Verlauf der Handlung mit der Bande um Störtebecker herum, die bereits aus der Blechtrommel bekannt ist (127). Gegen Ende der Novelle arbeitet Tulla als Schaffnerin bei der Straßenbahn (133).

  • Frau Mahlke und Tante Mahlke

    Die beiden Frauen des Haushalts Mahlke werden von Pilenz wie folgt eingeführt: »Die beiden Frauen, grobknochig, auf dem Lande geboren, aufgewachsen und mit den Händen verlegen, sprachen viel« (103). Dabei fällt auf, dass sie »immer in Richtung Joachim Mahlke, auch wenn sie mich anredeten« (ebd.) sprechen. Ein Charakteristikum der Frauen ist, dass sie Danziger Deutsch sprechen. Besonders deutlich wird das, wenn Pilenz auf Tante Mahlke trifft: »Dem Jung jeht nu besser, wenner och nech grad von Besserjehn schraibt« (111).

    Auch in dieser Szene ist die Schwester von Joachims Mutter sehr gesprächig und offen. Sie zeigt Pilenz sogar Joachims Feldpostbriefe vor, damit er sie lese.
    Im weiteren Verlauf ist es vor allem die Tante, die in Erscheinung tritt – Mahlkes Mutter selbst erscheint neben ihrer Schwester recht blass. Offensichtlich vertraut Tante Mahlke Pilenz, denn als dieser bei ihr Zuhause klingelt um den Fahnenflüchtigen Mahlke Lebensmittel zu verschaffen, stellt sie keine Fragen und kommt Pilenz' Bitte nach (140).

  • Mutter Pilenz

    Der Erzähler Pilenz verschweigt seine Mutter zwar nicht, lässt aber keine starke affektive Bindung zu ihr erkennen. Nachdem seine Mutter einen Altar für Klaus errichtet, wird Pilenz eifersüchtig (114). Zu ihren Liebschaften heißt es: »[M]eine Mutter unterhielt, während mein Vater aus Griechenland Feldpostbriefe schickte, intime Verhältnisse zumeist mit Militärdienstgraden« (103). Pilenz porträtiert seine Mutter nicht ohne Sarkasmus: »Sie aber trug, inmitten illustriertenseliger Gemütlichkeit, geschäftige Trauer von einem Zimmer ins nächste, also kleidsames Trauerschwarz nicht nur auf der Straße, sondern auch zwischen Küche und Wohnzimmer« (114).

    Als Pilenz seinen Einberufungsbefehl bekommt, bricht seine Mutter in Tränen aus. Dass ihr Pilenz nichts bedeuten würde, kann also auch nicht behauptet werden. Pilenz reagiert auf den Gefühlsausbruch lapidar mit: »Fahr ja erst Sonntag abend« (149) und wechselt dann das Thema. Es hat fast den Anschein, als ginge die Gefühlskälte also von Pilenz aus.

  • Kapitänleutnant

    Der »Kaleu« (69) läutet den Höhepunkt der Handlung ein, den Diebstahl des Ordens. Er wird vom Erzähler folgendermaßen beschrieben: »Ich [...] muß seinen Blick feurig nennen. Dichtes, womöglich drahtiges Kraushaar, Richtung Römerkopf. Kein U-Boot-Bart aber dachartig vorstehende Augenbrauen. Ein Mittelding zwischen Denkerstirn und Grüblerstirn« (68). Besonders auffällig erscheint der Mund des Kapitänleutnants: »Der Mund, den er für uns aufmachte, war ein weichgeschwungener Sprechmund« (ebd.). Später heißt es bedauernd: »Der Sprechmund hatte getäuscht. Recht farblos gab der Kapitänleutnant zuerst eine Übersicht, wie sie jeder Flottenkalender bot« (71). Pilenz berichtet, dass der Kapitänleutnant – »obgleich er zweihundertfünfzigtausend Bruttoregistertonnen, einen leichten Kreuzer der Despatch-Klasse, einen großen Zerstörer der Tribal-Klasse angebohrt hatte« (72) – sich in »wortreichen Naturbeschreibungen« (ebd.) ergeht. Die Rede des Soldaten geht also am Publikum vorbei: »Wahrscheinlich hielt er den Vortrag mehr ins Ohr seines ehemaligen Deutschlehrers Papa Brunies« (72).

    Als der Kapitänleutnant bei der anschließenden Turnstunde mitmacht, erscheint er nahbarer: »Während des Umkleidens hing eine Traube an ihm. Viele Fragen[.] Seine Antworten kamen geduldig. Manchmal lachte er ohne Grund aber ansteckend« (74).

    Beim Turnen fällt auf, dass er »leicht und flüssig« (76), also ganz anders als Mahlke, turnt.

    Im Anschluss an die Turnstunde fällt der Diebstahl des Ordens auf. Während der folgenden Untersuchung zeigt sich der Soldat zwar genervt, misst der Sache aber keine allzu große Bedeutung bei (79).

    Der Leutnant kann als Ideal von Mahlke verstanden werden – daher bestiehlt Mahlke auch ausgerechnet ihn. Deutlich zeigt sich das im Turnen. Auf der einen Seite der mühelos turnende »Kaleu«, auf der anderen Seite der verbissene Mahlke. Auch dass es sich um einen U-Boot-Kommandanten handelt, ist von Bedeutung, schließlich sind die Jungs schon aufgrund ihres Wohnortes nahe der Schichau-Werft, in der U-Boote gefertigt werden, vor allem von der Marine begeistert (59). Dass Mahlke später »nur« zur Panzertruppe kommt, kann als Versagen interpretiert werden.

  • Oberstudienrat Waldemar Klohse

    Der Schulleiter Klohse fällt vor allem dadurch auf, dass er besonders langatmige Reden hält, denen kein Schüler folgt: »Klohse sprach von allen, die draußen stehen, von allen zu Lande, zu Wasser und in der Luft, sprach lange und mit wenig Gefälle« (69).

    Eine Besonderheit Klohses ist sein von Pfefferminz hervorgerufener »kühle[r] Atem« (92), der sich wie ein Leitmotiv durch die Novelle zieht.

    Ein wenig mehr Kontur gewinnt Klohse gegen Ende der Novelle. Der ausgezeichnete Mahlke kommt auf Fronturlaub nach Hause und möchte, wie der Kapitänleutnant, eine Rede in der Aula halten. Der zuständige Klohse aber weist dieses Anliegen zurück (126f). Auch auf eine (eventuelle) Intervention des Erzählers geht er nicht ein: »Mahlke konnte niemand helfen. Vielleicht wenn ich mit Klohse gesprochen hätte. Aber ich sprach ja mit ihm, ließ mir eine halbe Stunde lang Pfefferminzworte ins Gesicht blasen« (127).

    Wegen dieser Ablehnung lauert Mahlke Klohse auf und greift ihn körperlich an: »Und Mahlke nahm Klohses brieflichen Rat an, wählte der Rede besseren Teil, das heldische Schweigen, und schlug wortlos, links rechts, mit Handrücken und Handfläche, in des Oberstudienrates rasiertes Gesicht« (131). Hier zeigt sich Klohse als standfester Beamter: »Der Geschlagene winkte ab, sah schon nicht mehr geschlagen aus, stand gestrafft und verkörperte [...] die Anstalt, die Schule, [...] das Conradinum« (ebd.).

    Natürlich sind gerade die langatmigen Vorträge, die zeittypisch von Heldentum und Aufopferung handeln, äußerst kritisch zu bewerten. Der Schuldirektor ist durchaus verantwortlich für die Gefallenen unter den Schülern und ehemaligen Schülern, dennoch erweist er sich gerade nach dem Angriff als charakterfest. Nichtsdestotrotz muss festgehalten werden, dass es sich bei Klohse um einen der wenigen echten Nazis handelt, die in Katz und Maus auftreten: »Klohse war Amtsleiter, unterrichtete aber nur selten in Parteikluft« (19).

  • Mallenbrandt

    Mallenbrandt ist der Turnlehrer der Jungs und tritt das erste Mal in Erscheinung, als er Mahlke zwar den Schraubenzieher beim Turnen verweist, den Anhänger der Jungfrau aber »beanstandete Mallenbrandt nie« (12). Mallenbrandt ist Lehrer für Leibeserziehung, Geografie und Religion (ebd.). Vor seiner Lehrtätigkeit hat er sich »in Turnerkreisen« (ebd.) durch das Schreiben eines Buches berühmt gemacht.
    Auch Mallenbrandt ist kein tiefer Charakter.

    Während der gestohlene Orden gesucht wird, fällt Mallenbrandt dadurch auf, dass er den unschuldigen Buschmann ohrfeigt (77f). Diese Gewalttat ist aber nicht von Erfolg gekrönt, da Buschmann unschuldig ist. Mallenbrandts Gewaltausbruch ist also nicht nur moralisch bedenklich, sondern zusätzlich nutzlos. Auch er gehört zur Generation der Verantwortlichen, unter denen die Kinder zu leiden haben.

  • Studienrat Brunies

    Studienrat Brunies tritt das erste Mal auf, als er die Jungs nach ihren Berufswünschen fragt. Diese Szene ist vor allem wegen Mahlkes Antwort (Clown) wichtig, zeigt Brunies aber auch als Lehrer, der an seinen Schülern interessiert ist (20). Die anderen Lehrer, allen voran Direktor Klohse, halten Vorträge, stimmen die Kinder auf den Heldentod ein, fragen aber niemals nach.

    Später wird Brunies detaillierter vorgestellt: »Papa Brunies, ein ausgedienter Studienrat, den sie während des Krieges wieder hinters Katheder gestellt hatten« (41). Der von den Schülern mit dem Spitznamen Papa bedachte Lehrer findet sogar Gefallen an den modischen Eskapaden der Schüler, denn »immer wieder hatte er seinen Spaß an den bunten Dingern, hat sich auch ein- oder zweimal, als Mahlke schon keine mehr trug, Puscheln vor seinen Stehkragen gebunden« (ebd.).
    Zum Deutschlehrer und Verehrer von Eichendorff (72) Brunies ist noch zu sagen, dass er »den Süßigkeiten verfallen« (41) war. Damit steht er in Kontrast zum Pfefferminz lutschenden Klohse. Ein weiterer Kontrast zu ihm ist Brunies Mitgliedschaft bei den Freimaurern, die ihm zum Verhängnis werden wird: »[S]ie brachten ihn nach Stutthof« (41).

Veröffentlicht am 16. August 2022. Zuletzt aktualisiert am 25. Januar 2023.