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Katz und Maus

Kapitel IX

Zusammenfassung

Die Wege von Pilenz und Mahlke trennen sich. Auch in den Ferien ist Mahlke nicht da. Vermutlich, so Pilenz, ist er in einem Wehrertüchtigungslager und wird auf das Soldatenhandwerk vorbereitet. Mahlke erscheint auch nicht in der Kirche, was stark gegen seine Gewohnheit ist.

Die Jungs - ohne Mahlke - finden sich immer wieder auf dem Boot ein, wo sich auch eine Gruppe Jüngerer um den Anführer Störtebecker aufhält.

Der Erzähler versucht bei Tulla zu landen, das gelingt ihm aber nicht. Wahrscheinlich, weil Tulla in Störtebecker verliebt ist. Störtebeckers Bande sucht den Zugang zu der Funkerkabine, aber es gelingt niemandem.

Das Fehlen Mahlkes ist ambivalent. Zwar ist es langweilig ohne ihn, andererseits aber ist gerade Pilenz erleichtert, einmal ohne ihn sein zu können. Dennoch wird Pilenz direkt nach den Ferien wieder Messdiener, da Mahlke nun wieder regelmäßig in der Kirche ist.

In der Kirche trägt Mahlke seinen Adamsapfel frei. Hochwürden Gusewski ist besorgt wegen der demonstrativen Frömmigkeit Mahlkes, er verdächtigt den Jungen, vom rechten Glauben abzukommen und einer Götzenanbetung zu verfallen.

Pilenz und Mahlke treffen sich am Ausgang der Sakristei. Mahlke ist so gelöst wie lange nicht. Er spricht über seine Pläne. Er möchte in den Krieg ziehen und zwar als U-Bootfahrer. Es fällt auf, dass der sonst eher einsilbige Mahlke nun lange und ohne Pause spricht. Am Ende lädt er Pilenz zu sich nach Hause ein.
Erst am dritten Advent kommt Pilenz der Einladung nach. Im Gepäck hat er Weihekerzen, die es in diesem Kriegswinter nur noch auf Bezugsschein gibt. Durch seinen gefallenen Bruder hat Pilenz Anrecht auf Weihekerzen.

Es wird deutlich, dass es im Krieg (aus deutscher Sicht) nicht zum Besten steht.

Pilenz, Mahlke, seine Mutter und seine Tante sitzen zusammen im Wohnzimmer und unterhalten sich. Dabei wird deutlich, dass Mahlke die beiden Frauen beherrscht, er im Haushalt das Kommando führt. Sie reden über den Krieg und über Mahlkes verstorbenen Vater. Es kommt heraus, dass dieser als Lokführer in einem Zugunglück starb. Da er Schlimmeres verhindert hatte, wurde er posthum mit einer Medaille ausgezeichnet.

Analyse

In diesem Kapitel wird erzählt, was aus Mahlkes Vater geworden ist. Dass er tot ist, weiß der Leser bereits seit dem ersten Kapitel, nun aber wird klar, dass der Vater ein Held ist. Es ist nicht sehr unwahrscheinlich, dass dieser übermächtige (tote) Vater zum Ideal geworden ist, dem Mahlke einfach nicht folgen kann. Denn nur wer lebendig ist, kann Fehler begehen und dadurch nahbar werden. Wer tot ist und posthum idealisiert wird, scheidet als erreichbares Vorbild aus. Ein Ideal lässt sich nicht kopieren, es ist eben nicht nahbar. An einem Ideal kann man nur scheitern.

Gleichzeitig wird klar, dass die Identität von Mahlkes Vater ein Stück weit auf Mahlke übergegangen ist: »Beide Frauen gehorchten ihm oder jenem verstorbenen Lokomotivführer« (104). Das »oder« zeigt an, dass es nicht zu entscheiden ist, wem die Frauen denn nun gehorchen. Aber das ist nicht das Einzige, was auffällt. Das »oder« zeigt sogar an, dass es nicht einfach zu entscheiden ist, wer wer ist. Wieviel Vater Mahlke steckt in Mahlke?

Die Identitätsproblematik Mahlkes wird damit keinesfalls leichter, im Gegenteil. Es ist nicht mehr zu entscheiden, wer Mahlke überhaupt ist. Sein Weg muss ihn in der Folge immer tiefer in falsche Identifizierungen führen. Man könnte fast sagen, dass es keinen Joachim Mahlke gibt.

Die Identitätsproblematik bleibt aber nicht bei Mahlke stehen. Wieder wird die Situation mit der Katze und dem Adamsapfel geschildert, diesmal von Mahlke selbst, der einen anderen Jungen als Pilenz als Verantwortlichen bezeichnet (105). Und dann heißt es: »[W]enn ich nur wüßte, wer die Mär erfunden hat, er oder ich oder wer schreibt hier?« (ebd.). Hier wird der Erzähler selbst problematisch, die Probleme von Mahlke wirken sich also auch auf die Identität des Erzählers aus.

Dazu kommt ein neuerlicher Zweifel an der Katzengeschichte. Hat sie sich überhaupt jemals zugetragen? Und wenn nicht, besteht dann der Grundkonflikt überhaupt? An dieser Stelle wirft die Novelle existenzielle Fragen auf, verweigert sich aber einer Antwort. Wobei genau darin auch eine Art Antwort zu sehen ist.

Veröffentlicht am 10. Oktober 2022. Zuletzt aktualisiert am 20. Oktober 2022.