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Im Westen nichts Neues

Kapitel 9

Zusammenfassung

Als Bäumer nach dem Heidelager zurückkommt, erfährt er, dass seine Kompanie jetzt Teil einer größeren Einheit ist, die an verschiedenen Orten eingesetzt werden kann, an denen Bedarf ist. Er trifft Tjaden, Müller, Kat und Kropp wieder und hört von dem Gerücht, dass sie nach Russland geschickt werden.

Der Kaiser kommt zur Besichtigung und die Soldaten müssen zur Parade antreten. Der Besuch des Kaisers führt dazu, dass die Freunde die Sinnhaftigkeit des Krieges infrage stellen und überlegen, wie es zu Kriegen kommt und wem sie nützen.

Statt nach Russland werden die Soldaten zurück an die Front geschickt. Bäumer hat ein schlechtes Gewissen, weil er im Urlaub und im Lager war, während die anderen kämpfen mussten, daher geht er freiwillig mit auf Patrouille, um die feindlichen Stellungen auszukundschaften. Neben ihm schlägt eine Granate ein und er kämpft mit seiner Angst und dem Gefühl, es seinen Kameraden schuldig zu sein, weiter voranzukriechen.

Dabei verirrt er sich und landet in einem gegnerischen Trichter. Er ist dort allein, als ein Angriff einsetzt. Er beschließt, wenn jemand zu ihm hineinspringt, ihm sofort mit dem Dolch die Kehle zu durchstoßen, damit er nicht schreien und ihn verraten kann. Als ein französischer Soldat in den Trichter fällt und auf ihm landet, erdolcht er ihn; dieser ist aber nicht sofort tot. Bäumer bereut seine Tat, gibt dem Sterbenden zu Trinken und versucht, die Wunden zu verbinden, kann ihn aber nicht retten.

Er macht sich bewusst, dass der feindliche Soldat ein Mensch mit einer Familie ist, der genauso sein Kamerad hätte sein können wie Kropp und Kat. Nur die Uniform unterscheide sie. Er sagt, dass er dem Fremden gern etwas von seiner eigenen Lebenszeit abgeben würde, da er mit seinem Leben ohnehin nichts mehr anzufangen wisse.

Bäumer öffnet die Brieftasche des Fremden, findet seinen Namen, Gérard Duval, seine Berufsbezeichnung, Typograf, sowie Fotos von seiner Familie. Bäumer bittet den Toten um Vergebung und verspricht, seiner Familie nach dem Krieg Geld zu schicken. Er beschließt sogar, dessen Beruf anzunehmen. Er weiß aber bereits, dass er seine Versprechen nicht einlösen wird.

Bäumer muss vorsichtig wieder auf die andere Seite kriechen, um nicht für einen der Franzosen gehalten zu werden. Als er zurück bei seinen Leuten ist, erzählt er Kropp und Kat von seinem Erlebnis. Sie beruhigen ihn und erinnern ihn daran, dass das Töten der Gegner der Grund ist, aus dem sie hier sind. Bäumer tut das Erlebnis dann selbst ab und meint, es habe ihn nur so aus der Fassung gebracht, weil er so lange mit dem Sterbenden zusammengelegen hat.

Analyse

In dem Gespräch der Freunde nach dem Besuch des Kaisers wird der Sinn des Krieges infrage gestellt. Sie meinen, dass sich gar nicht feststellen lasse, wer im Krieg überhaupt Recht habe. Kropp fragt: »[W]ir sind doch hier, um unser Vaterland zu verteidigen. Aber die Franzosen sind doch auch da, um ihr Vaterland zu verteidigen. Wer hat nun recht?« (S. 180–181).

Sie finden es auch seltsam, dass ein Land oder ein Volk ein anderes »beleidigt« (S. 181). Tjaden meint, dass er sich nicht beleidigt fühle und dann ja auch nach Hause gehen könne.

Sie diskutieren hierbei nicht auf politischer Ebene, sondern aus ihrer persönlichen Sichtweise heraus. Diese Perspektive ist kennzeichnend für den Roman. Remarque hat sich »jeglicher politischen Positionierung enthalten, die Ursachen des Kriegsausbruches und die mit ihm verbundenen politischen und ökonomischen Interessen mit Ausnahme von Allgemeinplätzen, die bewusst aus der Perspektive der politisch ungebildeten ›Muskoten‹ rührten, nicht thematisiert« (Schneider, S. 21).

Bäumers Erlebnis im feindlichen Trichter mit dem französischen Soldaten knüpft an diese Überlegungen an. Es erscheint absurd, dass Bäumer nach mehreren Fronteinsätzen, bei denen er schon viele getötet hat, bei diesem einen plötzlich Gewissensbisse hat. Ihm wird aber selbst klar, dass es daran liegt, dass er ihn mit eigenen Händen aus der Nähe erdolcht hat. Da er mit dem Sterbenden so viel Zeit verbringt und sogar seinen Namen herausfindet, wird die Angelegenheit für ihn persönlich und führt ihm vor Augen, dass es sich wie bei ihm und seinen Kameraden um einen jungen Mann handelt, der von seiner Familie vermisst wird.

An die Frage, ob man überhaupt feststellen könne, wer im Krieg Recht habe, schließt sich hier die menschliche Frage, worin der Unterschied zwischen den Soldaten auf den beiden Seiten besteht: »Wenn wir diese Waffen und die Uniform fortwerfen, könntest du ebenso mein Bruder sein wie Kat und Albert« (S. 198–199).

Remarque führt diese Erkenntnis nicht als intellektuelle Überlegung ein, sondern lässt sie aus der Lebenswirklichkeit der Protagonisten entstehen, die erst durch eigene Erfahrungen bemerken, dass der Krieg keinen Sinn hat. Politische Zusammenhänge werden dabei nicht berührt.

Veröffentlicht am 2. April 2023. Zuletzt aktualisiert am 2. April 2023.