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Avantgarde (1915–1925)

Avantgarde (1915–1925)

Der Begriff Avantgarde bezeichnet keine eigene literarische Epoche. Vielmehr bündelte die Avantgarde verschiedenen zeitgleich existierenden Strömungen der Kunst und Literatur am Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu den avantgardistischen Literaturströmungen werden im Allgemeinen Dadaismus, Surrealismus und Futurismus gezählt.

Einordnung der Epoche

In der Kunst und Literatur bestand die Avantgarde aus Künstlern und Schriftstellern, die die Rolle von Vorreitern übernahmen. Mit ihren neuartigen Ideen wollten die Vertreter der Avantgarde Änderungen in der Kunst, Literatur und auch Politik anstoßen. Dabei gingen sie teilweise sehr provokant und mit äußerster Radikalität vor.

Wortbedeutung

Der französische Ausdruck Avantgarde stammt ursprünglich aus dem Militärbereich. Er setzt sich aus den Worten avant = vor bzw. vorne und  garde = Wache zusammen. Die Avant-Garde war die Vorhut einer militärischen Einheit, die vor allem gegnerische Truppen ausspähen sollte. 

Die Ursprünge der literarischen Avantgarde liegen im französischen Symbolismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Bekannte Symbolisten wie Charles Baudelaire, Stefan George und der Dichter Arthur Rimbaud beeinflussten die Schriftsteller der späteren Avantgarde.

Ihre kurze Blütezeit erlebte die Avantgarde in den Jahren 1915 bis 1925. Der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland läutete das Ende der Literaturepoche ein. Vielerorts wurde die avantgardistische Literatur unter Zensur gestellt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnten die Autoren nicht wieder an ihren vorherigen Erfolg anknüpfen – die Avantgarde verlor im Laufe der Geschichte dann an Bedeutung.

Merkmale der Avantgarde

Im Selbstverständnis der Avantgarde sollten die literarischen Traditionen und Konventionen von Sprache, Stil und Form aufgebrochen werden, um den Weg für eine völlig neuartige Literatur zu ebnen.

Die avantgardistischen Literaturströmungen waren gekennzeichnet vom Aktionismus. Dabei spielte die öffentliche Präsentation der Literatur eine bedeutende Rolle. Häufig provozierten oder beleidigten die Avantgardisten das Publikum bei ihren Lesungen. Mit ihrer Performance verschmolzen Kunst und Literatur zunehmend.

Die Literatur der Avantgarde wollte vor allem schockieren. Um einen Moment des Schocks im Publikum auszulösen, mussten daher immer neuere und radikalere Mittel in der Sprache genutzt werden. Was die Menschen einst schockierte, konnte schnell für Ernüchterung sorgen. Deswegen wollten sich die Avantgardisten stets übertreffen.

Bahnbrechende innovative Entwicklungen zeigten sich in der Lyrik dieser Literaturepoche. In ihren Gedichten thematisierten die Avantgardisten die hässlichen Seiten des Großstadtlebens auf schonungslose, provokante und radikale Weise.

Vor allem Charles Baudelaire hatte einen großen Einfluss auf die Lyrik der Avantgarde. In seinem Gedichtband »Die Blumen des Bösen« (1857) klingen zum Beispiel bereits erste avantgardistische Tendenzen an. So ließ Baudelaire autobiografische Elemente in seine Gedichte einfließen und beschrieb die Großstadt als morbiden Ort des Bösen.

Dadaismus

Die dadaistische Bewegung entwickelte sich in der Zeit des Ersten Weltkrieges und richtete sich in erster Linie gegen den Krieg und Nationalismus.

Der Dadaismus lehnte die Werte des Bürgertums, die sich im Naturalismus niederschlugen ab. Diese Ablehnung zeigte sich in einer scheinbar völlig sinnbefreiten dadaistischen Literatur

Wortbedeutung

Über die Herkunft des Begriffs Dadaismus herrscht Uneinigkeit und es gibt verschiedene Theorien. Laut einer weit verbreiteten Vermutung seien die Begründer des Dadaismus, Hugo Ball und Richard Huelsenbeck, beim zufälligen Stöbern in einem Wörterbuch auf den Begriff Dada gestoßen. Das französische Wort Dada ist eine kindliche Bezeichnung für Steckenpferd.    

Um ihren Protest gegen die Brutalität, Zerstörung und Sinnlosigkeit des Krieges zu verdeutlichen, nutzen die Autoren des Dadaismus verschiedene Stilmittel. So folgte ihre Literatur scheinbar keiner wirklichen Logik und war durchdrungen von Sarkasmus. Sie veränderten die Satzkonstruktionen und schufen literarische Collagen.

Dadaistische Werke erweckten häufig den Anschein, als würden Worte wahllos aneinandergereiht. Die Bedeutung hinter einem Wort verlor an Bedeutung. Stattdessen rückten nun die klanglichen und optischen Elemente eines Wortes in den Vordergrund. Dem Publikum entzog sich damit der Sinn hinter der Literatur.

Lautgedicht

Der Dadaist Hugo Ball trieb die Technik der Aneinanderreihung extrem weit und entwickelte das Lautgedicht. In Lautgedichten werden keine vollständigen Wörter, sondern nur noch Silben aneinandergereiht. Balls lyrische Werke bestanden nur noch aus Klängen und Geräuschen, die eine bestimmte Wirkung oder Stimmung erzeugten.

Buchstabengedicht

Der Schriftsteller Raoul Hausmann ging mit seinen sogenannten Buchstabengedichten bis zum Äußersten. Seine dadaistischen Gedichte stellten nicht den Klang, sondern die Form in den Vordergrund. Seine Lyrik bestand schlussendlich nur noch aus einzelnen grafischen Elemente eines Buchstaben.

Das Zufallsprinzip war stilprägend für den Dadaismus. Die zufällig gefundene Textelemente wurden dabei selbst zum Teil des literarischen Schaffensprozesses und zur Kunst erklärt.

Wichtige Autoren und Werke des Dadaismus

  • Hugo Ball (1886–1927)
    • »Karawane«
  • Raoul Hausmann (1886–1971):
    • »Hurra! Hurra! Hurra!«

Surrealismus

Der Surrealismus war eine Kunst- und Literaturbewegung des beginnenden 20. Jahrhunderts. Als Begründer des literarischen Surrealismus gilt der französischen Schriftsteller André Breton, der im Jahr 1914 sein »Manifest des Surrealismus« veröffentlichte. 

Wortbedeutung

Die Bezeichnung Surrealismus setzt sich aus den beiden französischen Wörtern sur = über und réalisme = Wirklichkeit zusammen. Wörtlich übersetzt meint Surrealismus demnach: über der Wirklichkeit.

Viele Surrealisten waren von Sigmund Freud beeinflusst und betteten die Erkenntnisse aus der Psychoanalyse und Traumdeutung in die Literatur ein. Folglich verarbeiteten sie Träume, Visionen und Rauschzustände in ihren Werken. Auch dem Unterbewusstsein wurde viel Bedeutung zugesprochen.

Man stellte den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt und wandte sich der ganz persönlichen Wahrnehmung der Wirklichkeit zu. Die Erzähltechnik des inneren Monologs diente dabei der Darstellung der Gefühlswelt.

Surrealistische Werke zielten darauf ab, dem Unbewussten eine Form zu verleihen und es sichtbar zu machen. Dazu wurden Elemente der Verschlüsselung, Verzerrung und des Rätselhaften verwendet. 

In ihren Texten experimentierten die Surrealisten, durchbrachen Logik und Syntax und nutzen Techniken der Collage und Montage. Durch die Verwendung von Textfragmente aus Zeitschriften vermischten sich Wirklichkeit und Literatur.

Der Schaffensprozesses sollte nicht von Logik und Vernunft bestimmt werden. Aus diesem Grund entwickelten die Surrealisten die Technik des Automatismus. Dabei flossen spontane Ideen, Gedanken, Gefühlsregungen und Bilder, die während des Schreibens entstanden direkt in das Werk ein. 

In der deutschen Literatur werden vor allem die Gedichte von Paul Celan und Walter Benjamins »Der Sürrealismus« der surrealistischen Strömung zugeordnet.   

Wichtige Autoren und Werke des Surrealismus

  • André Breton (1886–1966):
    • »Nadja«
  • Louis Aragon (1897–1982):
    • »Le paysan de Paris«

Futurismus

Die Ursprünge des Futurismus (lat. futurum = Zukunft) liegen in Italien, wo sich die avantgardistische Literaturströmung Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte.

Begründer des Futurismus war der Schriftsteller Filippo Tommaso Marinetti, der im Jahr 1909 das »Futuristische Manifest« veröffentlichte. Marinetti forderte darin einen radikalen Bruch mit den alten Traditionen. Literatur, Kunst, Theater, Musik und Gesellschaft sollten völlig neu gestaltet werden. Um den Wandel herbeizuführen, sollte man nicht davor zurückschrecken, Gewalt, Brutalität und Aggressivität einzusetzen. Daneben verherrlichte das Manifest den Krieg, die Geschwindigkeit und das rücksichtslose Verhalten.

Mit großer Begeisterung begegneten die Futuristen dem technischen Fortschritt ihrer Zeit. Insbesondere im rasanten Anstieg der Geschwindigkeit (Auto, Zug, Flugzeug) fanden sie eine Quelle der Inspiration.

Für den Futurismus war der Krieg zwar das radikalste, aber notwendige Mittel zur Durchsetzung ihrer Forderungen. Nur in der kompletten Vernichtung des Alten sahen die Futuristen eine Möglichkeit für den völligen Neubeginn. Dies trug letztlich dazu bei, dass die Futuristen glühende Anhänger des italienischen Faschismus unter der Führung Mussolinis wurden.

Die futuristische Literatur bestand aus vielfältigen Textsorten. Es gab futuristische Gedichte, Theaterstücke und Romane. Daneben ergänzten zahlreiche Manifeste die literarischen Werke der futuristischen Autoren.

Mit ihrer avantgardistischen Literatur wollten die Futuristen vor allem die Dynamik und Simultanität (Gleichzeitigkeit vieler Eindrücke) des damaligen Lebens zum Ausdruck bringen.  

Die Autoren erweiterten das dadaistische Buchstabengedicht. Dabei gingen sie noch extremer vor als die Dadaisten. Nun bestanden die Gedichte nur noch aus Bruchstücken einzelner Buchstaben, die sich zudem Größe, Schriftart, Ausrichtung und Form unterschieden. Mit der Verwendung von Techniken aus der bildenden Kunst (Collage und Montage) löste man die Grenzen zwischen bildender Kunst und Literatur zunehmend auf.

»Die Ermordung einer Butterblume« von Alfred Döblin weist zahlreiche futuristische Bezüge auf. Döblin nutzte zum Beispiel Montagetechniken, um die Simultanität (Gleichzeitigkeit) darzustellen.

Wichtige Autoren und Werke des Futurismus

  • Filippo Tommaso Marinetti (1876–1944): 
    • »An das Rennautomobil«
  • Paolo Buzzi (1874–1956):
    • »Aeroplani«