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Der Vorleser

Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1995
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Über das Werk

Der Roman »Der Vorleser« wurde im Jahr 1995 veröffentlicht. Es handelt sich um das erfolgreichste Werk des Autors Bernhard Schlink (*1944), der hauptberuflich als Jurist tätig ist. Zu Schlinks weiteren Werken gehört sein Debütroman »Selbs Justiz«, auf den die beiden Nachfolgebände »Selbs Betrug« und »Selbs Mord« folgen. Wie auch »Der Vorleser« thematisieren Schlinks Kriminalromane die Nachgeschichte des Nationalsozialismus.

Der Roman handelt von Michael Berg, der im Alter von 15 Jahren eine Liebesbeziehung mit der 36-jährigen Hanna Schmitz führt, die am Ende des gemeinsamen Sommers plötzlich verschwindet. Michael begegnet ihr einige Jahre später im Gerichtssaal wieder. Er nimmt als Jurastudent an einem NS-Prozess teil, in dem Hanna als ehemalige KZ-Aufseherin angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Hanna wird nach 18 Haftjahren begnadigt, erhängt sich jedoch am Tag ihrer Entlassung. Michael erfährt, dass sie sich jahrelang mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Zehn Jahre nach ihrem Tod beginnt er, ihre gemeinsame Geschichte aufzuschreiben. 

Der Roman ist in drei Teile unterteilt, die jeweils einen Lebensabschnitt des Protagonisten darstellen. Der erste Abschnitt behandelt Michaels gemeinsamen Sommer mit Hanna und endet mit ihrem Verschwinden. Im zweiten Teil des Romans wird der Gerichtsprozess gegen Hanna Schmitz thematisiert; der Abschnitt endet mit Hannas Verurteilung. Der dritte Teil umfasst Michaels Leben während Hannas Haftstrafe und endet etwa 18 Jahre später. Die erzählte Zeit umfasst somit rund 25 Jahre. Ihr Ende liegt zum Zeitpunkt des Erzählens bereits etwa zehn Jahre zurück. 

Der Roman spielt in der Rhein-Main-Neckar-Region und lässt sich bei aufmerksamer Betrachtung der Orts- und Straßennamen in Heidelberg verorten (Vgl. Köster 28f.). Der Name der Stadt wird zwar nicht genannt, doch ermöglichen Hannas Route mit der Straßenbahn, die nach Schwetzingen führt, sowie die nahe beieinanderliegenden Straßen »Bahnhofstraße« und »Blumenstraße« die Identifikation der Universitätsstadt Heidelberg (Vgl. ebd.). Der wichtigste Schauplatz des ersten Teils ist Hannas Wohnung in der Bahnhofstraße. Weitere Szenen spielen in Michaels Elternhaus in der Blumenstraße, in Michaels Schule und dem örtlichen Schwimmbad. Der zweite Teil des Romans spielt hauptsächlich in einem Gerichtssaal, der eine Stunde von Michaels Heimatstadt entfernt liegt. »Assoziationen zu Frankfurt am Main als Ort der großen Auschwitzprozesse in den Jahren 1963-1968 (1976) bieten sich an.« (ebd. 30) Einen weiteren wichtigen Schauplatz bildet das ehemalige Konzentrationslager Struthof. Im dritten Abschnitt des Romans werden die Handlungsorte um das Gefängnis und Michaels Reise nach New York ergänzt.

Zu den wichtigsten Motiven des Romans gehören die Auseinandersetzung mit Scham und Schuld. Der Autor thematisiert den Umgang mit der NS-Vergangenheit in Deutschland, indem er ihn mit einer Liebesgeschichte verknüpft. Die ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Hanna und Michael bildet eines der zentralen Themen, in denen Schuld und Scham eine Rolle spielen. Zudem macht sie den besonderen Reiz für die junge Leserschaft aus (Vgl Köster 7). Die Motive spielen außerdem im Kontext der Vergangenheitsbewältigung der Nachkriegsgeneration eine Rolle. Diese beiden Bereiche vermischen sich, als Michael von Hannas Vergangenheit erfährt. Er ist »[...] Zuschauer gewesen und plötzlich Teilnehmer geworden, Mitspieler und Mitentscheider.« (S. 131)

»Der Vorleser« wurde seitens der Leser zunächst fast ausschließlich positiv aufgenommen – sehr zur Verwunderung des Autors. (Vgl. Heigenmoser 98) In der Literaturwissenschaft ist das Werk umstritten, so wird Schlink beispielsweise die fehlende eindeutige moralische Positionierung hinsichtlich der Täter- und Opfergrenzen vorgeworfen. (Vgl. Kampmeyer 32) 

    Entgegen dem verbreiteten Vorurteil, dass deutsche Literatur im Ausland keinen Absatz findet, wurde ›Der Vorleser‹ als das weltweit erfolgreichste Werk eines deutschen Literaten – nach der ›Blechtrommel‹ von Grass und ›Das Parfum‹ von Süsskind – genannt. (Moschytz-Ledgley 13)

Schlinks Werk wurde vielfach ausgezeichnet, in über 50 Sprachen übersetzt und hat sich in vielen deutschen Schulen als Teil des Unterrichtsstoffes etabliert. Im Jahr 2008 wurde »Der Vorleser« in deutsch-amerikanischer Koproduktion verfilmt und erhielt insgesamt fünf Oskar-Nominierungen.

Veröffentlicht am 25. Januar 2010. Zuletzt aktualisiert am 21. August 2023.

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