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Jugend ohne Gott

Inhaltsangabe

Der 1937 erschienene Roman »Jugend ohne Gott« von Ödön von Horvath erzählt von einem 34-jährigen Lehrer, der Geographie und Geschichte am Gymnasium einer Kleinstadt unterrichtet. Er empfindet eine immer größere Entfremdung zu seinen 14-jährigen Schülern, die ganz unter dem Einfluss eines autoritären, faschistischen Regimes stehen, das das Land beherrscht.  

Der Roman ist in 44 kurze Kapitel unterteilt und wird größtenteils aus der Ich-Perspektive des Lehrers erzählt. Im Mittelpunkt steht dabei der Generationenkonflikt zwischen den von christlich-humanistischen Werten und Idealen wie Wahrheit, Gerechtigkeit und Moral geprägten älteren Generationen und der Jugend, die keinen Zugang zu Werten wie Wahrhaftigkeit und Mitmenschlichkeit hatte und die ganz von der rassistischen, menschenverachtenden, militaristischen Propaganda des neuen Regimes geprägt ist. Sie haben nicht nur den Glauben an Gott verloren, sondern nie gelernt, auf die Stimme ihres Gewissens zu hören und Toleranz und Mitgefühl zu leben. Historische Bezüge zum Nationalsozialismus werden überall im Text angedeutet, das Dritte Reich wird aber nie explizit mit Namen von Personen oder Organisationen erwähnt. 

Die Geschichte setzt am 25. März mit dem tagebuchartigen Bericht des Ich-Erzählers ein, der an diesem Tag seinen 34. Geburtstag mit der Korrektur von Schulaufsätzen verbringt. Genauere Jahres- oder Ortsangaben gibt es im weiteren Verlauf des Romans nicht. Der Lehrer empört sich über die rassistischen Urteile seiner Schüler zum vorgegebenen Thema über die Notwendigkeit von Kolonien, wagt aber nicht, diese anzustreichen, da sie exakt den Parolen entsprechen, die das politische Regime in der allgegenwärtigen Radio-Propaganda verlautbaren lässt und er seine sichere Stelle mit Beamtenstatus nicht riskieren will. Der Lehrer schwankt zwischen opportunistischer Anpassung und Auflehnung gegen das totalitäre System, das die Gesellschaft bereits in großen Teilen durchdringt. Bei der Rückgabe der Aufsätze kommentiert er dann aber doch die rassistischen Äußerungen des Schülers N, indem er ihn darauf hinweisst, dass die »Neger« (im Original so gebrauchter Terminus) auch Menschen seien (vgl. S. 15). Diese Bemerkung trägt ihm eine Beschwerde des Vaters des Schülers N sowie eine Vorladung beim Direktor ein. Dieser äußert zwar Verständnis für seinen Standpunkt, weist ihn jedoch an, den offiziell vorgegebenen Anordnungen zu folgen und offenbart sich ebenfalls als angepasster Mitläufer, der keine beruflichen und persönlichen Nachteile riskieren will. Die Klasse reagiert daraufhin mit geschlossener Ablehnung und fordert in einem Brief seine Absetzung als Klassenlehrer, was der Direktor jedoch abwendet.

Das Hadern mit dem eigenen Mitläufertum und das Gefühl der Ohnmacht gegenüber seinen Schülern löst bei dem Lehrer eine große Unzufriedenheit mit seinem Beruf aus. Seinen Schülern gegenüber spürt er eine große Distanz und Fremdheit, so nennt er sie beispielsweise nur mit den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen und betrachtet ihre ganze Generation, die rein militaristisch geprägt ist, sich allen anderen überlegen fühlt und der alles Denken verhaßt ist (vgl. 21) mit Unverständnis und Abscheu. Dennoch verharrt der Lehrer in seiner Passivität und verbringt seine Abende bei Kneipenbesuchen mit Julius Cäsar, einem vom Dienst suspedierten ehemaligen Lateinlehrer, der eine skurile Außenseiterfigur ist und der die Ansichten des Lehrers über die Jugend teilt. Er sagt das Anbrechen kalter Zeiten voraus, ein »Zeitalter der Fische« (27). 

Bei der Beerdigung einer der Schüler aus seiner Klasse, der an einer Lungenentzündung gestorben ist, spürt der Ich-Erzähler zum ersten Mal den starren, emotionslosen Blick des Schülers T aus hellen, runden Augen ohne Schimmer (vgl. 31), die ihn an einen Fisch erinnern.

In den Osterferien begleitet der Lehrer seine Klasse in ein Zeltlager zum Ziel ihrer vormilitärischen Ausbildung. In der Nähe ist auch ein Ausbildungslager der Mädchen untergebracht, die ebenfalls zur körperlichen Abhärtung und Geländespielen zur Kriegsvorbereitung verpflichtet werden. Der Lehrer kommt mit dem Pfarrer des nahen Dorfes ins Gespräch und tauscht sich mit ihm über das Elend der verarmten Dorfbewohner aus, über die Rolle und Verantwortung der Kirche im Staat sowie über seinen eigenen Glauben, der ihm in seiner Jugend während des Ersten Weltkriegs abhanden gekommen ist. Er wird außerdem Zeuge eines brutalen Raubüberfalls auf eine alte Frau durch eine Jugendbande, die von einem Mädchen angeführt wird. Um das Zeltlager vor dieser Bande zu schützen, lässt der Lehrer seine Schüler nachts zur Wache einteilen. Dennoch kommt es bald zu einem ersten Diebstahl im Lager und der Lehrer beobachtet, dass seinem Schüler Z nachts ein Brief überbracht wird.

Um den Diebstählen auf den Grund zu gehen, beschliesst der Lehrer, nicht nur diesen Brief, sondern auch das Tagebuch des Schülers Z heimlich zu lesen, das dieser regelmäg führt. So findet er heraus, dass Z ein Liebesverhältnis mit dem Mädchen Eva hat, der Anführerin jener Räuberbande, und ihre Diebstähle offensichtlich deckt. Zudem entdeckt er Morddrohungen Zs gegen jeden, der es wagen sollte, das Kästchen, in dem er das Tagebuch aufbewahrt, aufzubrechen. In der Eile gelingt es dem Lehrer nicht, das Kästchen wieder zu verschließen. Z bemerkt das aufgebrochene Kästchen und verdächtigt seinen Zeltkameraden N, mit dem er schon öfter deswegen Streit hatte. Obwohl er sich immer wieder vornimmt, Z die Wahrheit zu gestehen und N damit von dem für ihn lebensgefährlichen Verdacht zu befreien, gelingt es ihm nicht, auch nicht bei einem Treffen Zs mit Eva nachts im Wald, bei dem der Lehrer sie heimlich beobachtet. Als er mit Z am nächsten Tag endlich über das aufgebrochene Kästchen sprechen will, entgegnet dieser ihm, N hätte es ihm bereits gestanden. N jedoch ist von dem gemeinsamen Ausflug in den Wald an diesem Tag nicht zurückgekehrt. Am nächsten Tag wird seine Leiche gefunden, er wurde hinterrücks mit einem Stein erschlagen und Z gesteht den Mord nach den ersten Verhören. 

Bei dem einige Monate später stattfindenden Gerichtsprozess ringt sich der Lehrer dazu durch, die Wahrheit über das aufgebrochene Kästchen auszusagen, obwohl ihn das selbst in große Schwierigkeiten bringt, er damit seine Stelle riskiert und schließlich auch verliert. Dennoch ist dies der entscheidende Schritt für ihn, endlich auf die Stimme seines Gewissens zu hören und statt Anpassung und Mitläufertum ein Leben in Wahrhaftigkeit und Mitmenschlichkeit zu führen. Diese Entscheidung bringt ihn auch zurück zu seinem verlorenen Glauben an Gott und hat auch Auswirkungen auf seine Mitmenschen. So sagt auch Eva im Prozeß nach seinem Vorbild die Wahrheit aus und widerspricht Z, der noch immer an seiner Aussage festhält, dass er den Mord an N begangen habe, und beschuldigt einen unbekannten Dritten, der Mörder zu sein. Damit bringt auch sie sich selbst in große Schwierigkeiten und lenkt den Verdacht auf sich selbst. Ihr Hinweis zum Aussehen des unbekannten Täters, der sie an einen Fisch denken ließ (vgl. 100), lenkt den Verdacht des Lehrers sofort auf seinen unnahbaren, emotionslosen Schüler T.

Nach der Aussage des Lehrers formieren sich einige seiner Schüler, darunter Schüler B, um nach seinem Vorbild weiter für Wahrheit und Gerechtigkeit einzustehen, zu einem Klub, in dem sie im Kleinen durch die Lektüre verbotener Bücher Widerstand gegen das totalitäre Regime leisten. Dieser Klub unterstützt den Lehrer, ebenso wie die Außenseiterfigur Julius Caesar, bei seinen anschließenden privaten Ermittlungen, mit denen er den wahren Täter T ermitteln und Eva damit vom Mordverdacht befreien möchte. Gemeinsam gelingt es ihnen, T in die Enge zu treiben. Bevor der Lehrer ihn jedoch überführen oder zu einem Geständnis bewegen kann, nimmt sich T das Leben. Der emotional verrohte Sohn eines reichen Fabrikbesitzers handelte aus reinem Wissensdurst und wollte einem Menschen beim Sterben zusehen. Damit ist Eva von der Mordanklage befreit, auch die Ermittlungen gegen den Lehrer werden fallengelassen. Da er jedoch nach seiner Aussage nicht mehr als Lehrer unterrichten kann und auch nicht mehr systemkonform unter den Bedingungen einer faschistischen Diktatur leben möchte, nimmt er das Angebot des Pfarrers, an einer Missionsschule in Afrika als Lehrer zu arbeiten, an und verlässt das Land.

Veröffentlicht am 25. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023.