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Jugend ohne Gott

Prüfungsfragen

  • Warum entschließt sich der Lehrer gegen die rassistischen Bemerkungen seiner Schüler in ihren Aufsätzen zum Thema »Warum müssen wir Kolonien haben?« (Kapitel 1, »Die Neger«) keine Einwände zu erheben und sie nicht zu kommentieren oder korrigieren?

    Bereits bei den Verallgemeinerungen und »hohle[n] Phrasen« (11) des ersten Schüleraufsatzes sträubt sich der Lehrer innerlich dagegen, dies nicht wenigstens zu kommentieren. Bei dem rassistischen Satz Ns über die »Neger« kann er sich kaum mehr zurückhalten, den Satz zu streichen. Im letzten Moment fällt ihm ein, dass er genau diesen Satz bereits im Radio gehört hatte. Und er ruft sich in Erinnerung: »was einer im Radio redet, darf kein Lehrer im Schulheft streichen« (ebd.). Damit verweist diese Passage auf die omnipräsente Propaganda in den Massenmedien, auf die sich vor allem die NS-Diktatur stützte und mit der eine breite ideologische Beeinflussung der Bevölkerung möglich war. Dahinter steht auch die Angst des Lehrers, bei Fehlverhalten seine sichere Stellung als »städtischer Beamter« (ebd.) zu riskieren. Er sieht dies auch als sinnloses Risiko an, denn »was vermag der einzelne gegen alle?« (ebd.)

  • Welche drei Gruppen stehen sich im Roman gegenüber und wie äußern sich die Unterschiede zwischen ihnen und ihrem Verhältnis zum Lehrer?

    Im Mittelpunkt des Romans steht der Ich-Erzähler, der auch die Hauptfigur ist. Alle anderen Figuren definieren ihre Position im Text über ihr Verhältnis zum Lehrer. Dieses deckt sich auch mit ihrem Verhältnis zum politischen Regime und ihrem persönlichen Umgang damit.
    Es gibt die Gruppe der Personen, die in großer Distanz oder sogar Feindschaft zum Lehrer stehen. Sie sind alle treue Anhänger des totalitären Regimes oder zumindest stark von seiner menschenverachtenden Ideologie geprägt. Dazu gehören vor allem der Bäckermeister N und sein Sohn N, auch seine Frau und der Schüler T.
    Auf der anderen Seite stehen die Unterstützer des Lehrers, die mit ihm ein vertrautes Verhältnis haben. Dazu gehören Julius Caesar, der Pfarrer, auch Schüler B und sein Klub sowie in Ansätzen Eva. Die meisten dieser Personen sind Außenseiter in der faschistischen Gesellschaft, stehen ihr kritisch gegenüber, wenn sich ihr Protest auch höchstens in heimlichen Aktivitäten oder im Privaten geäußerten Ansichten zeigt.
    Die größte Gruppe aber sind die dazwischen stehenden angepassten Mitläufer. Sie haben sowohl zum politischen System als auch zum Ich-Erzähler ein zwiespältiges Verhältnis: So vertreten sie eigentlich andere Werte und Ansichten, die nicht mit denen des Regimes übereinstimmen. Aus Angst um ihre gesellschaftliche Stellung und berufliche Karriere haben sie sich aber angepasst und versuchen, nicht aufzufallen. Ebenso hegen sie eigentlich Sympathie für den Lehrer oder unterstützen ihn im Verborgenen. Dazu gehören beispielsweise der Direktor, aber auch der Feldwebel und ein Teil der Eltern der Schüler.

  • Welches Gottesbild vertritt der Pfarrer? Warum und wann hat der Lehrer seinen Glauben an Gott verloren? Wie ist sein Verhältnis zu Gott am Ende des Romans?

    Mit seiner Aussage »Gott ist das Schrecklichste auf der Welt« (48) vertritt der Pfarrer die Auffassung des alttestamentlichen, strafenden Gottes.
    Der Lehrer dagegen hat seinen Glauben an Gott im Ersten Weltkrieg verloren, da er dieses Leiden nicht mit dem Glauben an einen guten und gerechten Gott in Einklang bringen konnte (vgl. 43). Nachdem er nach dem Mord zwar wieder an diesen strafenden, schrecklichen Gott glaubte, ihn jedoch nicht mochte, findet er am Ende des Romans zum Glauben an eine humanistische Gottesvorstellung, in der Gott die Warheit ist und damit auch in der Stimme des Gewissens und der Moral hörbar.

  • Was macht den Schüler Z zum Außenseiter?

    Die Unterschiede zwischen dem Schüler Z und seinen angepassten, sich in die Uniformität der Gruppe einordnenden Kameraden treten zum ersten Mal im Zeltlager in Erscheinung. Hier wird deutlich, dass er einen starken Zug von Individualismus an den Tag legt, der bei den anderen Schülern (noch) nicht zu bemerken ist und der nicht erwünscht ist und auch nicht akzeptiert wird. Schon beim ersten Exerzieren fällt dem Lehrer auf, dass sich Z nur schwer einreihen lässt (36). Vor allem aber wird dies an der Bedeutung erkennbar, der er dem Führen eines Tagebuchs beimisst, für das er sogar ein verschließbares Kästchen mitgebracht hat. Dies grenzt ihn von allen anderen ab und eröffnet ihm einen inneren Freiraum, in dem ihn auch die allgegenwärtige Propaganda nicht erreicht. Er wird vor allem als ein Mensch bezeichnet, der über sich selbst nachdenkt und alles reflektiert (vgl. 58). Auch er verachtet die angepassten Regimeanhänger wie den Schüler N als »Plebejer« (ebd.).

  • Warum entschließt sich der Lehrer, im Prozess schließlich doch die Wahrheit zu sagen?

    Noch kurz vor seiner Vernehmung als Zeuge im Mordprozess hat der Lehrer eigentlich nicht die Absicht, tatsächlich ein Geständnis abzulegen und die Wahrheit über sein Aufbrechen des Kästchens zu sagen. Zu groß ist seine Angst vor den Konsequenzen, dem Verlust seiner Stellung, aber auch seine Scham über seine Tat und ihr Verschweigen. Erst als er nach dem Gespräch mit dem alten Tabakhändler plötzlich meint, die Stimme Gottes zu hören, die ihm eingibt, seine Schuld nicht zu verschweigen, sondern einzugestehen und damit ein neues Unrecht zu verhindern, ringt er sich dazu durch, die Warheit zu sagen.

  • Welche Auswirkung hat das Geständnis des Lehrers vor Gericht auf die anderen Anwesenden und auf sich selbst?

    Sein Geständnis hat gravierende Auswirkungen, sowohl auf den Fortgang des Prozesses als auch für viele seiner Mitmenschen, vor allem aber auch für den Ich-Erzähler selbst.
    Im Fortgang des Prozesses ändert diese Aussage alles, da sich nun auch Eva ein Beispiel am Lehrer nimmt und die Wahrheit über ihre Beobachtung des Mordes und des eigentlichen Täters aussagt. Dies wird schließlich auch den Anstoss zur Überführung des Schülers T geben. Auch der Klub der widerständigen Schüler sieht den Lehrer nach seinem Geständnis noch mehr als Vorbild und Vertrauensperson an, als den »einzige[n] Erwachsenen [...], den wir kennen, der die Wahrheit liebt« (112).
    Gravierende Auswirkungen hat sein Mut zur Wahrheit aber auch für den Lehrer selbst. Er wird vom Dienst suspendiert, darf sein Gymnasium nicht mehr betreten und verliert schließlich seine sichere Stellung als Beamter. Innerlich jedoch hat ihn seine Aussage befreit; er hat keine Angst mehr und keine Sorgen und er hat eine neue Perspektive auf seine Umgebung, eine große Distanz zum totalitären Regime und der faschistischen Gesellschaft, deren Vertreter ihm nun nur noch winzig und lächerlich erscheinen. (vgl. 107)

  • Gibt es im Roman Anzeichen von Widerstand gegen das autoritäre Regime?

    Zwar gibt es einige Personen, die den totalitären Staat und die faschistischen Gesellschaftsstrukturen mehr oder weniger offen kritisieren, meist nur im vertrauten persönlichen Gespräch, jedoch keine eigentlich in offener Opposition oder gar im Widerstand kämpfenden Figuren. Der einzige Kreis, der sich zu widerständigen Aktivitäten zusammenfindet, ist der Klub der vier Schüler, zu dem noch ein Laufbursche und ein Bäckerlehrling gehören und der sich wöchentlich zur Lektüre verbotener Bücher trifft. Sie sprechen dabei auch darüber, wie eine bessere Welt aussehen sollte. Der Leitsatz des Klubs lautet »Für Wahrheit und Gerechtigkeit!« (114), nach diesem versuchen die Mitglieder auch zu leben.
    Dem Lehrer ist es schließlich nur möglich, das Land zu verlassen, da er in dieser faschistischen Gesellschaft nicht mehr leben kann, sich aber auch nicht zu offenem Widerstand entschließen kann.

  • Welche Erzählperspektive gibt es im Roman? Durch welche Besonderheiten wird sie charakterisiert?

    Die Erzählperspektive des Romans ist die des Ich-Erzählers, der eine personale Perspektive einnimmt. Dieser Ich-Erzähler wird jedoch durch zwei verschiedene Erzählerstandpunkte charakterisiert. Er ist zum einen das berichtende Ich, das die Handlung um sich herum, oft rückblickend im Präteritum berichtet, zum anderen ist dieser Erzähler aber auch ein erlebendes und reflektierendes Ich, das über die Geschehnisse nachdenkt und durch sie eine innere Wandlung erlebt. Dies geschieht meist in der Tempusform des Präsens und damit wird der äußeren Handlungsebene noch die innere Reflexionsebebe sowie eine innere Handlungsebene der Veränderung hinzugefügt.
    Außerdem wird die rein personale Erzählperspektive um viele weitere Stimmen und Perspektiven erweitert. Diese kommen vor allem durch den Dialog mit dem Erzähler in den Roman, aber auch durch belauschte Gespräche, heimlich oder offen gelesene Briefe und das Tagebuch Zs sowie durch die Zitate aus Massenmedien wie Radio und Zeitungen.

  • Welche Handlungsstrukturen weist der Roman auf und welche sind die jeweiligen Höhepunkte?

    Der Roman weist drei Handlungsstrukturen auf, die sich durch den gesamten Roman ziehen und jeweils längere Passagen bestimmen. Dies sind eine detektivische Struktur, eine sozialkritisch-politische Struktur und eine religiöse Struktur.
    Die detektivische Struktur bestimmt den Roman vor allem ab dem zweiten Abschnitt (mit Beginn des Zeltlagers), in dem schließlich der Mord geschieht. Dieser und die Entlarvung des wahren Täters am Schluss des Romans sind die Höhepunkte der detektivischen Handlungsstruktur.
    Die Auseinandersetzung mit Gott klingt schon im Titel »Jugend ohne Gott« an. Eigentlicher Beginn der religiösen Handlungsstruktur ist aber das Gespräch mit dem Dorfpfarrer während des Zeltlagers (Kapitel »Auf der Suche nach den Idealen der Menschheit«). Höhepunkte hier sind die Hinführung des Lehrers zu einem neuen Gottesbild, als er im Tabakladen die Stimme Gottes hört, die ihm eingibt, im Prozess die Wahrheit auszusagen. Und schließlich als Endpunkt seine Einsicht im vorletzten Kapitel, als die Täterschaft von T deutlich wird, dass Gott die Wahrheit ist (vgl. 141).
    Die sozialkritisch-politische Handlungsstruktur zieht sich auch durch den ganzen Text. Sie wird vor allem in der Darstellung des neuen Zeitgeists sichtbar, also in der ideologischen Beeinflussung der Jugend und in den gesellschaftlichen Folgen des Lebens in einer Diktatur und der Reflexion des Lehrers darüber. Überdies treten verschiedene gesellschaftliche Gruppen auf, wie beispielsweise die armen Heimarbeiterkinder, die Eltern der Schüler und Eva und ihre Räuberbande. Da auch der Mord als eine Folge der gesellschaftlichen Entwicklung, des neuen anti-humanistischen, faschistischen Zeitgeists gesehen werden kann, bildet er auch für diese Handlungsstruktur den Höhepunkt.

  • Nennen Sie drei wichtige Motive des Romans und führen Sie aus, wie diese miteinander verbunden sind!

    Das Augenmotiv
    Der Fisch
    Gott

    Die drei genannten Motive können als Leitmotive des Romans bezeichnet werden, die sich durch den Roman ziehen und auf unterschiedlichen Ebenen auch alle miteinander verbunden sind.
    Das Augenmotiv ist bei der Kennzeichnung der Figur des T und seiner Überführung als wahrer Täter besonders wichtig. Da seine Augen immer als Fischaugen beschrieben werden, sind hier schon beide Motive miteinander verbunden. Evas Augen, die sich im Laufe des Romans in der Wahrnehmung des Lehrers verwandeln, erinnern ihn erst an die herbstlichen Seen seiner Heimat (vgl. 96), später erkennt er, dass es »andere Augen« (135) sind, die ihn durch Eva ansehen. Hier wird eine Verbindung zwischen dem Augen- und dem Gottesmotiv deutlich. Und auch als die Wahrheit über den Grund für den Selbstmord von T offenbar wird, sehen den Lehrer aus den Augen von Ts Mutter »andere« göttliche Augen an (vgl. 142).
    Auch das Fisch- und das Gottesmotiv sind miteinander verbunden, da der Fisch ja ursprünglich ein christliches Symbol ist, das im Roman jedoch als Symbol für Kälte, das Fehlen von Emotionen und einen starren, beobachtenden Blick steht.

Veröffentlicht am 25. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023.