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Jugend ohne Gott

Kapitel 33 + 34: »Der Klub greift ein« oder »Zwei Briefe«

Zusammenfassung

Am nächsten Tag gehen der Lehrer und Schüler B zusammen zum zuständigen Untersuchungsrichter, um ihm mitzuteilen, dass der am Tatort gefundene Kompass T gehört. Allerdings lässt dieser sie gar nicht zu Wort kommen. Die Sache mit dem Kompass hat sich inzwischen bereits geklärt. Dieser war dem Bürgermeister gestohlen worden, wahrscheinlich von Eva, wie der Untersuchungsrichter annimmt. Damit spielt der Kompass keine Rolle mehr und hilft bei der Beweisführung gegen T nicht mehr weiter.

Im Gerichtsgebäude treffen B und der Lehrer auf den Verteidiger von Z, der sich beim Lehrer noch einmal für seine unerschrockene Aussage bedankt, aufgrund der der Schüler Z der Verurteilung entgangen ist. Er erwähnt auch, dass Eva dagegen mit hysterischen Krämpfen im Gefängniskrankenhaus liege.

Der Lehrer denkt an Eva und an ihre Augen, die ihn an die herbstlichen Seen seiner Heimat erinnern und möchte ihr helfen. Er fühlt Hass gegen den Schüler T. den er für den wahren Täter hält und der Eva als Mörderin, die sich nur heraus lügen will, verleumdet. Auch B bedauert das Mädchen.

Beide stimmen darin überein, dass T es war, der den Kompass verloren habe und der wahre Täter sein müsse. Sie nehmen sich vor, ihn gemeinsam zu fangen. B will auch seinen Klub überzeugen, mitzuhelfen, um Eva zu entlasten. Schließlich sei der Leitsatz des Klubs »Für Wahrheit und Gerechtigkeit« und sie wollen nicht nur verbotene Bücher lesen, sondern auch nach ihnen leben. Der Klub soll nun den Schüler T Tag und Nacht beobachten und dem Lehrer jeden Tag Bericht erstatten.

Schließlich fragt der Lehrer B noch, ob es wahr sei, dass er in der Schule den Spitznamen »Der Fisch« habe. Der Schüler jedoch veneint; der Spitzname des Lehres sei vielmehr »der Neger«.

Am nächsten Tag erhält der Lehrer einen Brief seiner Eltern, die entsetzt darüber sind, dass er seine Stelle als Lehrer verloren hat. Sie sind besorgt über ihren Sohn, aber auch um sich selbst, da der Sohn sie finanziell unterstützt.

Der Lehrer denkt an Gott und daran, dass seine Eltern zwar fromm sind und jeden Sonntag in die Kirche gehen, aber Gott wohl dennoch nicht bei ihnen wohnt. Er versucht, ihnen eine Antwort zu schreiben, will schreiben, dass sie doch auf die Hilfe Gottes vertrauen sollen, schafft es aber nicht und zerreißt den Brief wieder. Da sie von seinem bisherigen Unglauben wissen, schämt er sich nun bei dem Gedanken, es könnte ihnen so erscheinen, dass er jetzt nur von Gott schreibt, da er in einer schwierigen Lage ist. Den ganzen Tag versucht er immer wieder, den Eltern zu schreiben, schafft es aber nicht, das Wort Gott an sie zu schreiben.

Am Abend verlässt er seine Wohnung, da er wieder Angst vor der Leere in ihr bekommt und geht in die Bar, in der er wieder Julius Caesar trifft. Dieser gratuliert ihm und spricht ihm seinen Respekt für seine mutige und anständige Aussage vor Gericht aus. Der Lehrer erzählt ihm von seinem Verdacht gegen den »Fisch«, den Schüler T. Auch Julius Caesar ist überzeugt davon, dass T der Mörder ist und bietet dem Lehrer seine Hilfe an. Er erwähnt dabei hilfreiche »Verbindungen«, die er habe. Tatsächlich wird er auch an diesem Abend in der Bar von vielen Menschen gegrüßt, die seinen Rat und seine Hilfe erbitten, da er ein weiser Mann sei. Schließlich entscheidet sich der Lehrer, seinen Eltern doch noch zu schreiben.

Analyse

Da der Lehrer und der Schüler B mit ihrem Hinweis auf den wahren Besitzer des Kompasses kein Gehör finden, fällt die Entscheidung, gemeinsam den Schüler T, den beide für den eigentlichen Mörder halten, zu überführen. Damit werden B und sein Klub zum ersten Unterstützer und Helfer des Lehrers, der sich bei den negativen Stimmen zu seiner Aussage, die er in der Zeitung gelesen hatte, noch ganz isoliert gefühlt hatte. Der Klub hat den Leitsatz »Für Wahrheit und Gerechtigkeit« (114), der auch über dem verwandelten Leben des Lehrers seit seiner Gotteserfahrung stehen könnte.

Der Grund für ihren unbedingten Willen zur Überführung von T ist ihr gemeinsames Mitleid mit Eva, die inzwischen im Krankenhaus liegt und deren Unschuld sie gemeinsam beweisen wollen. Das wiederholt mit Eva in Verbindung gebrachte Augen-Motiv – der Lehrer sieht beim Gedanken an Evas Augen immer eine herbstliche Seenlandschaft vor sich – unterstreicht die Bedeutung, die Eva für ihn hat, die aber über ihre eigene Person hinausgeht und in seine Kindheit reicht.

In diesem Kapitel erfährt der Lehrer auch, dass sein eigentlicher Spitzname in der Klasse nicht »der Fisch«, wie von T behauptet, sondern vielmehr »der Neger« ist (114). Somit bezieht sich die Fisch-Motivik nun eindeutig auf T. Der Lehrer hat inzwischen seine emotionslose Beobachterposition gegenüber seiner Umwelt aufgegeben. Es wird nun klar, dass die Bezeichnung »Neger« zu einer Metapher für alle Menschen geworden ist, die von der faschistischen Ideologie abweichen oder von ihr zu Außenseitern gemacht werden.

Der Brief der Eltern, den der Lehrer am nächsten Tag erhält, zeigt in ihrer entsetzten Reaktion auf sein unnötiges Geständnis vor Gericht nicht nur ihr Unverständnis für die Hinwendung zur Wahrhaftigkeit des Sohnes, hinter der vor allem ihre Sorge um die eigene materielle Existenz steht. Dem Lehrer wird auch noch einmal ihre unterschiedliche Gottesauffassung klar. Trotzdem die Eltern fromm sind und jeden Sonntag in die Kirche gehen, nimmt der Lehrer an, dass Gott noch immer nicht bei ihnen wohne (vgl. 115).

    Die Religiosität der Eltern ist lediglich rituell und äußerlich, während sein Gottesverständnis sich in einem inneren Gewissenskonflikt und seiner neu gewonnenen Wahrhaftigkeit ausdrückt. (Kaul/Pahmeier, S. 65)

Eine Antwort an seine Eltern, in der er seinen neu gewonnenen Glauben an die Hilfe Gottes ausdrücken möchte, gelingt ihm dann erst spät abends unter Einfluss von Alkohol. Die Vermittlung seines neuen Glaubens gegenüber jenen, die ihn noch immer für ungläubig halten, fällt ihm schwer.

Trotz seiner inneren Wandlung, kehrt die Angst vor der einsamen leeren Wohnung zurück. Beim abendlichen Gespräch in der Bar über den Fall und den Verdacht gegen T wird Julius Caesar zu einem weiteren Helfer des Lehrers, der ihm bei der Überführung des Täters helfen will. Auch er schätzt die moralische Bedeutung seines Geständnisses sehr hoch ein. Es wird offenkundig, dass Julius Caesar zwar in zwielichtigen Lokalitäten Stammgast ist, hier aber von den Menschen am Rande der Gesellschaft als »wissender und weiser Mann« (116) hoch angesehen ist und allen hilft, die seinen Rat suchen. Den Erzähler lässt der Gedanke an Eva, ihre aktuelle Notlage und ihre ungewisse Zukunft nicht los und er fragt sich erneut, wer ihr helfen könne.

Veröffentlicht am 25. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023.