Skip to main content

Jugend ohne Gott

Kapitel 39 + 40: »Im Netz« und »Der N«

Zusammenfassung

Zuhause wartet bereits Julius Caesar auf den Lehrer. Seine Vermieterin ist besorgt, da sie annimmt, dass etwas mit ihm »nicht stimme« (128).
Er eröffnet ihm, er habe den Fisch nun so weit, dass er noch heute Nacht am Köder anbeißen werde.

Zusammen gehen sie in das Animierlokal »Die Lilie«, und auf dem Weg, in dem immer stärker werdenden Regen, macht der Lehrer Julius Caesar Vorwürfe, dass er aktiv geworden ist, ohne ihm etwas davon zu sagen. Julius Caesar erklärt ihm schließlich, dass ja er, der Lehrer, es war, der ihm davon erzählt habe, dass er den wahren Mörder Ns überführen müsse, um das Mädchen zu retten. Und da ihm der Lehrer wegen Eva so traurig schien, habe er ihm bei der Überführung Ts helfen wollen.

Im Animierlokal »Die Lilie« erzählt Julius Caesar, dass seine Köder für T die Prostituierte Nelly und eine Kellnerin des Lokals seien. Allerdings ist der »Fisch« nicht zum verabredeten Treffen mit Nelly vor dem Lokal erschienen, sodass der Plan nun hinfällig ist.

Eigentlich wollte Julius Caesar den Lehrer auch gar nicht in seinen »ordinären« Plan einweihen, doch dann holte er ihn doch als Zeugen dazu. Er hatte vor, Mithilfe der beiden Damen den Mord nachzustellen und die Tat zu rekonstruieren. Dabei sollte T betrunken gemacht werden, bis er einschläft. Dann sollte sich Nelly unter ein Leintuch auf den Boden legen, als vermeintliches Mordopfer. Die Kellnerin sollte hinzukommen, gellend schreien und T vorwerfen, was er getan habe. Julius Caesar wäre als Polizist aufgetreten, sie hätten zusammen eine Szene aufgeführt, mit dem Ziel, dass T beide Morde gestanden hätte.

Schließlich weist Julius Caesar den Lehrer noch darauf hin, dass er ja immer nur an das Mädchen denke, aber gar nicht mehr an das Mordopfer N. Und tatsächlich muss sich der Lehrer eingestehen, dass er N schon ganz vergessen hatte, obwohl er an alle in den Fall Verwickelten oft dachte, selbst an die Eltern Ns.

Analyse

Auch das nächste Kapitel setzt in einer Verkettung von Motiven das Bild des Fischfangs mit »Im Netz« fort. Nun enthüllt sich erst die Identität des »fremden Herrn«, als Julius Caesar den Lehrer in seinen Plan einweiht, wie er den »Fisch« fangen will. Der Lehrer fühlt sich durch diesen Plan überrumpelt.

Die Tatsache, dass Julius Caesar seinen Entschluss, dem Lehrer bei der Überführung Ts zu helfen, aus seinem Mitgefühl entstand, als er den Lehrer, traurig wegen des Schicksals Evas, an einem Tisch in der Bar sitzen sah. Dies weist ihn ein weiteres Mal als Außenseiter aus, als einen, der sich von der Härte und Unmenschlichkeit des faschistischen Regimes abhebt, dadurch, dass er Mitleid mit anderen Menschen empfindet. Dies ist sonst nur bei wenigen Figuren im Roman zu bemerken, so neben dem Lehrer bei Z und bei Schüler B.

Der das Kapitel begleitende und zunehmende Regen weist wieder auf die Schuldthematik im Roman hin. Dies erschließt sich aus den letzten Sätzen des Kapitels: »Mich schaudert. Einen winzigen Augenblick lang sah ich das Netz« (129). Durch die Überführung Ts, den er in die Enge treibt und damit letzlich seinen Selbstmord mit vorbereitet, lädt der Leher erneut Schuld auf sich. Der Zusammenhang zwischen der Schuld des »Henkers« und der des Mörders wird im Kapitel »Das Gespenst« dann genauer ausgeführt.

Der Plan Julius Caesars, den »Fisch« mit Hilfe der Prostituierten Nelly und einer Kellnerin in die Falle zu locken, ist schief gegangen. Eventuell hat der alles beobachtende und kühl durchschauende T schon geahnt, dass ihm von diesem erneuten Treffen mit Nelly Gefahr drohte, so wie ihm beim Erscheinen des Lehrers im Haus seiner Eltern das Entsetzen über die Einsicht, kurz vor der Enttarnung zu stehen, in den Augen abzulesen ist. Es ist die Nacht, in der T sich das Leben nehmen wird, in der er mit einer Rekonstruktion der Tat »im Bett« von Julius Caesar als Freundschaftsdienst für den Lehrer überführt werden sollte. Ein HInweis auf diese zeitliche Parallelität der Ereignisse klingt in der Bemerkung Julius Caesars an: »der Mensch denkt und Gott lenkt - wenn wir uns ärgern, daß einer nicht anbeißt, dann zappelt er vielleicht schon im Netz« (132).

Die Bedeutung des Kapitels liegt am Hinweis Caesars am Ende auf »den toten Jungen« (ebd.), N, den der Lehrer schon »ganz vergessen« hatte. Schon im Kapitel »Mordprozeß Z oder N« wird diese Tendenz angesprochen, dass sich alle Aufmerksamkeit weg vom Opfer und hin zum Täter des Mordes verlagert. Nun beherrscht jedoch N, der »erschlagen worden war« und den es »nicht mehr gibt« (ebd.) wieder die Gedanken des Lehrers, was direkt zum nächsten Kapitel überleitet.

Veröffentlicht am 25. Oktober 2023. Zuletzt aktualisiert am 25. Oktober 2023.